Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Urteil vom 17.09.1996; Aktenzeichen 6 Ca 1757/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom17. September 1996 abgeändert:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
  3. Der Streitwert wird auf DM 6.132,00 festgesetzt.

II. Die Kosten zweiter Instanz trägt die Klägerin.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die unverheiratete Klägerin, die in … eine eigene Wohnung hat und in … wo ihr die Kosten eines Zimmers von der Beklagten erstattet werden, als Betriebsfahrzeugdisponentin arbeitet, Anspruch auf die volle Verpflegungspauschale von 16,00 DM täglich – statt gewährter 8,00 DM – gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 1 und 2 des Reisekostentarifvertrages vom 1.10.1994 (RKTV – Auszug Blatt 26 d. A.) hat. Nach Ansicht der Beklagten steht dem entgegen, daß die Wohnung der Klägerin in … kein „Familienhausstand” im Sinne der Ausführungsbestimmung Nr. 1 zu § 6 Abs. 4 Nr. 1 RKTV ist. Sie sei daher wie Arbeitnehmer ohne eigenen Hausstand im Sinne des § 6 Abs. 4 Nr. 4 RKTV zu behandeln, für die die Nummern 1 und 2 sinngemäß mit der Maßgabe gelten, daß die jeweilige Verpflegungspauschale auf 50 % begrenzt ist. Auf Grund einer Entscheidung des Vorstandes werde diese Regelung auch auf ledige Arbeitsnehmer mit eigenem Hausstand angewendet.

Mit ihrer am 6. Mai 1996 erhobenen Klage verlangt die Klägerin die Nachzahlung des Differenzbetrages für 51 Tage in den Monaten Dezember bis März 1996 in Höhe von 408,00 DM (Blatt 3 d. A.), am 8. Juli 1996 erweitert um die Forderung von weiteren 204,00 DM für 38 Tage im April und Mai 1996 sowie die Feststellung der künftigen Zahlungsverpflichtung.

Das Arbeitsgericht Schwerin – 6 Ca 1757/96 – hat mit Urteil vom 17. September 1996 für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 408,00 netto nebst 4 % Zinsen seit dem 9.5.1996 zu zahlen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere DM 204,00 netto nebst 4 % Zinsen seit dem 11.7.1996 zu zahlen.
  3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, künftig an die Klägerin eine Verpflegungsspauschale pro Tag der Fahrtätigkeit in Höhe von DM 16,00 zu zahlen.
  4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  5. Der Streitwert wird auf DM 17.892,00 festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung sinngemäß ausgeführt, die Klägerin unterhalte auch als Alleinstehende einen Familienhausstand im Sinne des Tarifvertrages, da im heutigen Sprachgebrauch der Begriff „Familie” keine Gemeinschaft mehrerer Personen mehr voraussetze. Daß der Tarifvertrag alle Arbeitnehmer mit eigenem Hausstand erfassen wolle, zeige die Vergleichung mit § 6 Abs. 4 Nr. 4 RKTV, wonach bereits Arbeitnehmer ohne eigenen Hausstand 50 % erhielten, obwohl sie ja keinerlei Aufwendungen für eine Hauptwohnung hätten. Eine dem entgegenstehende steuerrechtliche Auslegung des Begriffs „Familienhausstand” könne die Beklagte nicht einseitig verfügen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachstandes und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin (Blatt 43 bis 54 d. A.) Bezug genommen.

Das am 17. September 1996 verkündete Urteil ist der Beklagten am 5. März 1997 zugestellt worden. Die Berufung ist am 17. März 1997, die Berufungsbegründung am 30. April 1997. bis zu welchem Tag die Begründungsfrist verlängert worden war, beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte trägt zur Auslegung des Tarifvertrages vor, unter dem Begriff „Familienhausstand” sei nicht dasselbe zu verstehen wie unter „Haushalt” schlechthin. Es komme nicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch an, wenn die Tarifvertragsparteien einen Rechtsbegriff verwenden. Hier sei ein Begriff der Lohnsteuerrichtlinien, Abschnitt 43 Abs. 3, verwendet worden (Anlage B 1, Blatt 27 d. A.), der deshalb auch in Übereinstimmung mit dem Steuerrecht auszulegen sei. Die Beklagte verweist insbesondere auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 24.11.1989, NJW 1990 S. 1319 (Blatt 92 d. A.); nach der Rechtsprechung des BFH sei von einem Familienhausstand auszugehen, wenn der Arbeitnehmer einen Hausstand mit von ihm finanziell abhängigen Angehörigen führe. Im übrigen gehe das Arbeitsgericht fälschlich davon aus, daß eine Familie auch aus nur einer Person bestehen könne; es verkenne auch, daß auch ein Arbeitnehmer ohne eigenen Hausstand irgendwo wohnen müsse und sich in der Regel an den Kosten beteiligen werde. Soweit die Klägerin sich in der Berufungserwiderung auf ein Zusammenleben mit Herrn … berufe, sei, sofern es sich nicht nur um eine Wohngemeinschaft handele, nach der Rechtsprechung des BFH auch das Zusammenleben zweier unverheirateter Personen für den Begriff des „Famlienhaushalts” nicht ausreichend, wenn einem solchen Haushalt nicht auch ein gemeinsames Kind angehöre.

Die Beklagte beantragt,

das am 17.9.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin. Az. 6 Ca 1757/96, aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

D...

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