Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichterbringung der Arbeitsleistung gegenüber Altarbeitgeberin infolge eines von der Belegschaft provozierten Betriebsübergangs der wirtschaftlichen Einheit "SB-Fleischverpackung". Unwirksamkeit unbestimmter Vertragsstrafenklausel und unangemessen benachteiligender Abwerbeklausel. Unbegründete Widerklage des Insolvenzverwalters der Altarbeitgeberin bei unzureichenden Darlegungen zum Schaden aus entgangenem Gewinn
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer begeht keinen Vertragsbruch, wenn er seine Arbeitsleistung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist einem anderen Arbeitgeber zur Verfügung stellt, weil es zu einem Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB gekommen ist, denn die Arbeitspflicht besteht seit dem Betriebsübergang gegenüber dem neuen Arbeitgeber. Dies gilt auch dann, wenn der Betriebsübergang in Zusammenhang mit einer Auftragsnachfolge steht und der Betriebsübergang gegen den Willen des Altarbeitgebers durch ein Zusammenwirken der Belegschaft, des Auftragsnachfolgers und des Auftraggebers möglicherweise sogar wettbewerbswidrig herbeigeführt wurde.
2. Ein im Arbeitsvertragsformular enthaltenes Vertragsstrafeversprechen, das für den Fall der Kündigung des Arbeitgebers aus wichtigem Grunde gelten soll, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB, da ein solches Strafversprechen nicht erkennen lässt, welche konkreten Arbeitnehmerpflichten durch das Versprechen besonders geschützt sein sollen (in Anlehnung an BAG 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - AP Nr. 3 zu § 307 BGB = NZA 2005, 1053).
3. Ein im Arbeitsvertragsformular enthaltenes Vertragsstrafeversprechen in Höhe eines halben Jahresnettoentgelts für den Fall, dass sich der Arbeitnehmer "während der Dauer der Zusammenarbeit und sechs Monate" danach "abwerben" lässt "und ein Dienstverhältnis begründet" mit dem Auftraggeber oder einem Auftragnehmer des Auftraggebers ist unwirksam. Das darin enthaltene nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist mangels einer Entschädigung unwirksam. Der unwirksame Teil der Klausel lässt sich nicht von der Klausel im Übrigen trennen, so dass die gesamte Klausel unwirksam ist.
4. Zur Frage, ob dem Altarbeitgeber Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) zustehen kann, wenn durch den auch von der Belegschaft mit provozierten Betriebsübergang eine aussichtsreiche Verhandlungsposition des Altarbeitgebers bezüglich der Freigabe seines Personals gegenüber dem Auftraggeber und dem Auftragsnachfolger zunichte gemacht wird. 5. Teilweise Parallelentscheidung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 14. April 2015 - 2 Sa 85/14.
Normenkette
BGB §§ 307, 252, 249, 309 Nr. 6, § 241 Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 2, § 611 Abs. 1, § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 29.01.2014; Aktenzeichen 3 Ca 2402/13) |
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nach vergleichsweiser Erledigung der übrigen Streitgegenstände noch um einen Schadensersatz- bzw. Vertragsstrafeanspruch des Arbeitgebers, der im Wege der Widerklage geltend gemacht wird.
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ..., der Arbeitgeberin des Klägers (im Folgenden mit Schuldnerin bezeichnet). Die Gründung der Beklagten geht auf das Jahr 2002 zurück. Die LFW L. Fleisch- und Wurstspezialitäten GmbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt mit LFW bezeichnet) hatte seinerzeit die Gründung der Gesellschaft gefördert oder sogar betrieben, um mit ihr im Anschluss Verträge über die Erbringung von Teilleistungen aus dem gesamten eigenen Produktionsprozess abzuschließen. Diese Ausgliederung betraf zum einen den Bereich der Fleischzerlegung und zum anderen - sozusagen am anderen Ende des Produktionsprozesses - die Verpackung von Fleisch- und Wurstwaren. Sämtliche Leistungen hat die Schuldnerin auf dem Betriebsgelände der LFW mit Hilfe der dort installierten Maschinen erbracht. Basis der Zusammenarbeit waren drei Verträge (Zerlegung, Wurstverpackung, Fleisch- und SB-Fleisch-Verpackung), die alle beiderseits mit einer Frist von 3 Monaten kündbar waren. Außerhalb dieser drei Verträge ist die Schuldnerin nicht gewerblich tätig geworden. Die Bezeichnung der Schuldnerin hat in den Folgejahren mehrfach gewechselt, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger trug sie seinerzeit den Namen "LWL GmbH".
Der Kläger, polnischer Staatsbürger mit Zweitwohnsitz im hiesigen Bezirk, ist seit dem 15. Dezember 2009 auf dem Betriebsgelände der LFW als Mitarbeiter der Schuldnerin im Bereich der SB-Fleischverpackung tätig. Die Arbeit besteht hier im Kern darin, von der LFW produzierte Fleischwaren in Einheiten zu verpacken, die in Selbstbedienungsmärkten des Einzelhandels verkauft werden können. Gelegentlich wurden die Fleischprodukte - insbesondere während der Grillsaison - vor ihrem Verpacken durch den Kläger und die übrigen Mitarbeiter in dieser Abteilung noch in Marinade eingelegt.
Der Arbeitsvert...