Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Tarifvertrags. Tarifkonkurrenz
Leitsatz (redaktionell)
Gemäß § 3 des Tarifvertrags zur Überleitung der Angestellten der ostdeutschen Wasserversorgungs- und Abwasserbehandlungsbetriebe in das kommunale Tarifrecht vom 04.12.1991 gilt ab dessen Inkrafttreten der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 und nicht der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987.
Normenkette
TVG § 1 Abs. 1, § 3
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Aktenzeichen 3 Ca 263/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien bestand bis zum 31.12.2000 ein Arbeitsverhältnis. Wegen dessen Beendigung zahlte die Beklagte 27.583,75 DM brutto an die Klägerin nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass sie nicht nach dem genannten Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992, sondern nach dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9. Januar 1987 einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 83.533,50 DM habe. Den Differenzbetrag von 55.949,75 DM = 28.606,65 EUR verlangt sie mit der Klage zuzüglich Zinsen seit dem 1. Januar 2001.
Diesen Anspruch stützt die Klägerin auf den Tarifvertrag betreffend die Überleitung der Angestellten der ostdeutschen Wasserversorgungs- und Abwasserbehandlungsbetriebe in das kommunale Tarifrecht vom 4. Dezember 1991. § 3 dieses Tarifvertrages lautet:
„§ 3 – Überleitung der Angestellten in das kommunale Tarifrecht
(1) Vom 01. Januar 1992 an gelten für die Angestellten
- der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechtsmanteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990;
- § 2 des Änderungstarifvertrages vom 08. Mai 1991 zum BAT-O;
- die sonstigen für die unter den BAT-O fallenden Angestellten geltenden Tarifverträge;
- der für die unter den BAT (West) fallenden Angestellten geltenden Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09. Januar 1987
in ihrer jeweiligen Fassung.
…”.
Demgegenüber vertritt die Beklagte die Ansicht, dass der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung an die Stelle des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz getreten sei, und sie infolge dessen nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung die Abfindung in dort festgelegter Höhe zu zahlen habe.
Für den weiteren Sach- und Streitstand erster Instanz wird Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 12.09.2001 nebst seinen Verweisungen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Fall der Tarifkonkurrenz vorliege. Der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 sei als die speziellere Regelung anzusehen.
Zwar habe auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Überleitungstarifvertrag vom 04.12.1991 Anwendung gefunden. Nach § 3 Abs. 1 c dieses Tarifvertrages aber sollten nicht nur die damals geltenden Tarifverträge, sondern auch die künftig abgeschlossenen Tarifverträge angewendet werden. Somit sei der Sozialtarifvertrag als sonstiger Tarifvertrag im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen. Er erfasse laut Präambel die unter den BAT-O fallenden Arbeitnehmer. Da aber auch unstreitig der Überleitungstarifvertrag vom 4. Dezember 1991 in der damaligen Fassung fortbestehe, werde das Arbeitsverhältnis der Parteien sowohl von dem Rationalisierungstarifvertrag als auch von dem Sozialtarifvertrag erfasst. Dem Grundsatz der Spezialität folgend, sei der Sozialtarifvertrag vom 06.07.1992 derjenige, der den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes des Beklagten und deren tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht werde.
Der Rationalisierungsschutztarifvertrag aus dem Jahr 1987 sei demgegenüber für das Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen worden, zu einem Zeitpunkt, in dem die Einheit Deutschlands noch nicht absehbar gewesen sei. Er könne deshalb die sich herausgebildeten Besonderheiten und speziellen Bedürfnisse der Arbeitsverhältnisse im Bereich des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer nicht berücksichtigen.
Gegen dieses der Klägerin am 14.11.2001 zugestellte Urteil hat sie am 27.12.2001 Berufung eingelegt und gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Frist beantragt. Die Berufungsbegründung erfolgte am 21.01.2002.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ihr, so macht die Klägerin geltend, zu gewähren. Der Berufungsschriftsatz sei ordnungsgemäß am 10.12.2001 unterzeichnet worden, die Anweisung an die zuständige Verwaltungsangestellte ergangen, die Berufungsschrift zur Ausgangspost zu legen und am selben Tag zur Post zu geben. Dennoch sei trotz klarer Anweisung aus heute nicht mehr feststellbaren Gründen eine Aufgabe zur Post am selbigen Tag nicht erfolgt...