Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertrag. Auslegung. Arbeitszeit. Umkleidezeit. Keine Vergütung der Umkleidezeiten von Zugführern und Zugbegleitern bei der DB Regio AG. Vergütungspflicht für Umkleidezeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Umkleidezeiten gehören zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden (ausschließlich) einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt (wie BAG 10. November 2009 -

1 ABR 54/08

- AP Nr. 125 zu §

87

BetrVG

1972 Arbeitszeit = DB 2010,

454

; BAG 17. Januar 2012 -

1 ABR 45/10

- NZA 2012,

687

= ZTR 2012,

364

).

2. Die Vergütungserwartung nach §

612

Absatz

1

BGB

ist anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung und der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme (wie BAG 11. Oktober 2000 -

5 AZR 122/99

- BAGE 96,

45

= AP Nr. 20 zu §

611

BGB

Arbeitszeit = DB 2001,

543

; BAG 17. November 1966 -

5 AZR 225/66

- BAGE 19,

126

, 128).

3. Für den Bereich der Deutschen Bahn AG und ihrer Tochtergesellschaften kann eine entsprechende Vergütungserwartung nicht festgestellt werden, da es an einer dahingehenden tariflichen Regelung mangelt und dieser Verkehrskreis nach wie vor von den Regelungen aus dem Tarifwerk geprägt wird. Eine vom Tarifwerk abweichende Verkehrsübung, aus der eine Vergütungserwartung entnommen werden könnte, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 612

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 16.09.2011; Aktenzeichen 4 Ca 527/11)

 

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Vergütung von kurzen Zeitabschnitten zu Beginn und Ende des Arbeitstages, die der Kläger als vergütungspflichtige Arbeitszeit gewertet wissen will. Während dieser Zeit kleidet er sich um und rüstet sich für den Arbeitseinsatz mit den notwendigen Geräten aus bzw. legt die notwendigen Geräte zum Feierabend wieder ab. Der Kläger bemisst diese beiden Zeitabschnitte zu Arbeitsbeginn und zum Arbeitsende mit je 7 Minuten.

Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges konzerneingebundenes Unternehmen, das Regionalverkehr auf der Schiene betreibt. Das Unternehmen wickelt seine Geschäfte über regional strukturierte Betriebe ab. Vorliegend geht es um den Betrieb Nord-Ost.

Der Kläger ist bei der Beklagten im Betrieb Nord-Ost als Triebfahrzeugführer (Lokomotivführer) beschäftigt. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaften Deutscher Lokführer (GDL), die ihrerseits Tarifverträge mit der Beklagten, der Konzernmutter oder dem Arbeitgeberverband, dem die Konzernunternehmen angehören, schließt. Der Kläger ist der Regeleinsatzstelle C-Stadt zugeordnet, erbringt nach näherer Absprache zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aber auch viele Schichten von N. aus.

Wenn der Kläger seine Arbeit an der Regeleinsatzstelle in C-Stadt antritt, steht ihm dort ein Spind zur Verfügung, in dem er die vorgeschriebene Dienstkleidung und die für die Dienstausübung notwendigen technischen Geräte und Materialien (insb. das mobile Diensttelefon) außerhalb der Arbeitszeit lagern kann. Wenn diese Dinge dort gelagert sind, begibt sich der Kläger zu Arbeitsbeginn an seinen Spind, zieht sich dort um, schaltet die technischen Geräte ein, prüft sie auf ihre Funktionstüchtigkeit und nimmt sie an sich. Danach begibt er sich in den sogenannten Melderaum bzw. die Meldestelle, wo der für ihn geltende Tagesplan und gegebenenfalls dessen letzte Änderungen sowie sonstige Weisungen und Hinweise hinterlegt sind. Von dort aus begibt der sich auf den Bahnsteig und nimmt seine Tätigkeit im Zug auf. Zum Feierabend begibt er sich vom Zug zu dem Raum mit dem Spind und kann dann dort die Unternehmensbekleidung und die technischen Geräte ablegen.

Die Beklagte schreibt nicht vor, den Spind zum Umkleiden und zum Lagern der technischen Geräte zu verwenden. In der betrieblichen Praxis kommt es daher häufig vor, dass die Beschäftigten die vorgeschriebene Dienstkleidung bereits zu Hause anlegen und nach Feierabend auch in Dienstkleidung nach Hause fahren. In diesem Falle werden dann auch die technischen Geräte mit Billigung der Beklagten zu Hause gelagert und von dort wieder zur Arbeit mitgebracht. - Sofern der Kläger Schichten vom Bahnhof in N. aus leisten muss, ist er geradezu gezwungen, Dienstkleidung und technische Geräte nach Hause mitzunehmen, da er ansonsten viel Zeit dadurch verlieren würde, dass er sich zunächst von zu Hause an seinen Spind in C-Stadt und sich dann von dort nach N. begeben müsste.

Die Schichtplanung der Beklagten beruht auf der Annahme, dass die Arbeit morgens erst mit dem Eintreffen des Beschäftigten im Melderaum beginnt. Für den Aufenthalt dort und für die Kenntnisnahme des Tagesplans und gegebenenfalls seiner Veränderungen werden in die Schichtplanung nach der betrieblichen Praxis 3 Minuten angesetzt. Danach werden die Wegezeiten bis zum Zug angesetzt und es folgt die...

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