Entscheidungsstichwort (Thema)
Massenumgruppierung
Leitsatz (amtlich)
Wenn sich bei einer „Massenumgruppierung” die Tätigkeit der umzugruppierenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ändert und die betreffenden Personen aus bisher geltenden tarifvertraglich geregelten Tätigkeitsbezeichnungen in neue, ebenfalls unmittelbar im Tarifvertrag genannten Tätigkeitsbezeichnungen („Job Titeln”) übergeleitet werden, muss der Arbeitgeber ohne Nachforderung ergänzender Informationen des Betriebsrats im Einzelfall nicht im Rahmen des Beteiligungsverfahrens gem. § 99 BetrVG Tätigkeits- oder Stellenbeschreibungen vorlegen.
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 27.05.2008; Aktenzeichen 3 BV 542/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 27.05.2008 – 3 BV 542/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmung des Beteiligten zu 2. – des in der Niederlassung M. der Antragstellerin gebildeten Betriebsrats – zur Umgruppierung der in der Niederlassung beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt.
Zwischen der Antragstellerin und der v. kam am 20.07.2006 ein „Vergütungstarifvertrag für die Arbeitnehmer der F.” zustande, gültig ab 01.10.2005, der in § 3 eine Vergütungsgruppenregelung mit elf statt bisher sieben Tarifgruppen sowie eine Tarifgruppe S0 und eine Tarifgruppe S1 vorsieht. Die einzelnen Tarifgruppen sind mittels abstrakter Merkmale beschrieben, die sich vornehmlich an der Qualität der für die jeweilige Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse orientieren. Ferner enthält § 2 des genannten Vergütungstarifvertrages (künftig: VTV) einen Katalog von Tätigkeitsbezeichnungen in englischer Sprache – sog. Job Titeln –, die jeweils bestimmten Tarifgruppen zugeordnet sind. § 4 VTV enthält Vergütungstabellen, in denen der jeweiligen Tarifgruppe ein sog. Minimum, ein Midpoint und ein Maximum zugeordnet sind. Dies bedeutet, dass der jeweiligen Tarifgruppe nicht ein bestimmter, unverrückbarer Entgeltbetrag entspricht, sondern eine Entgeltbandbreite, wobei der sog. Midpoint deren Mittelwert darstellt.
§ 2 VTV enthält unter der Überschrift „Eingruppierungsgrundsätze” folgende Regelung:
- Für die Eingruppierung sind allein die übertragenen und ausgeführten Arbeiten und nicht etwaige Berufsbezeichnungen maßgebend.
- Für die Eingruppierung in eine der nachgenannten Vergütungsgruppen ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit entscheidend. Hierbei wird ein Bewertungszeitraum von mindestens 4 Wochen zugrunde gelegt. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer kann nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen.
Diese Eingruppierungsgrundsätze waren in Wortlaut und Inhalt bereits in den vorangegangenen Vergütungstarifverträgen enthalten.
§ 8 VTV enthält eine Regelung der Leistungsbeurteilung, die in Bezug gesetzt wird zur Festlegung des Entgelts innerhalb der tarifvertraglichen Bandbreite der jeweiligen Tarifgruppe.
Die Antragstellerin nahm aufgrund einer von ihr erstellten und im Rahmen der Tarifverhandlungen vorgelegten Liste „Vergleich der aktuellen Stellenbezeichnung/„Midpoint” vs. neue Stellenbezeichnung/„Midpoint”” die Umgruppierung der dem Tarifvertrag unterfallenden Beschäftigten vor. Allerdings wurde der Betriebsrat erst durch sog. Inter-Office Memoranden vom 06.09.2007 über die Umgruppierung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informiert, wobei jeweils solche Beschäftigte in einem Memorandum zusammengefasst wurden, die gemeinsam von der bisherigen alten Tarifgruppe in dieselbe neue Tarifgruppe überführt werden sollten. Nicht erwähnt ist in dem genannten Informationsschreiben die Positionierung der jeweiligen Beschäftigten innerhalb der Bandbreite bzw. Spanne der jeweiligen Tarifgruppe, also im Verhältnis zum sog. Midpoint.
Der Beteiligte zu 2. teilte mit gleichlautenden, auf jede einzelne Mitarbeiterin bzw. jeden einzelnen Mitarbeiter bezogenen Schreiben u. a. mit, er widerspreche der Eingruppierung „nach § 99 Abs. 2 Nr. 1, da die Eingruppierung mehrfach gegen gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen” verstoße. Sie verstoße gegen § 2 des Tarifvertrages, weil in der Anhörung lediglich Berufsbezeichnungen/Job Titel mitgeteilt seien. Der Betriebsrat könne auf Grundlage der „Massenanhörung” in keiner Weise überprüfen, welche Tätigkeiten die betreffenden Mitarbeiter tatsächlich ausübten. Ihm sei eine Vielzahl von Fällen bekannt, in denen Mitarbeiter überwiegend Tätigkeiten ausübten, die nichts mit ihrem Job Titel zu tun hätten. Die Antragstellerin müsse ihm schon mitteilen, welche Tätigkeiten im Einzelfall konkret ausgeübt würden, damit er von seinem Mitbeurteilungsrecht nach § 99 BetrVG Gebrauch machen könne. Eine individualisierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Eingruppierungen im Hinblick auf die tatsächlich erbrachten Tätigkeiten könne mangels Mitte...