Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtbetriebsvereinbarung zur erweiterten Mitbestimmung in personellen und sozialen Angelegenheiten. Unbegründete Beschwerde der Arbeitgeberin bei Gegenstandslosigkeit des angefochtenen Einigungsstellenspruchs aus rechtlichen Gründen unter Offenlassung einer Entscheidung zur Rechtswirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Unzulässige Feststellungsanträge des Betriebsrats zur Anwendung gesetzlicher Vorschriften im Rahmen einer Betriebsvereinbarung bei fehlendem Streitbezug
Leitsatz (redaktionell)
1. Die von der Arbeitgeberin in der Betreffzeile ihres Anhörungsschreibens bezeichnete Angelegenheit der "Qualifizierung Gewerkschaftspolitische Assistenz - Kollegin A." fällt unter den Ausnahmekatalog einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur erweiterten Mitbestimmung in personellen und sozialen Angelegenheiten, soweit darin "die Beurteilung und Entscheidung über die Geeignetheit eines Stellenbewerbers" von der Erweiterung der Mitbestimmung personellen Angelegenheiten ausgenommen wird; es gelten somit die (Verfahrens-) Regelungen des § 99 BetrVG unmittelbar.
2. Ist eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur erweiterten Mitbestimmung entweder insgesamt oder jedenfalls in deren Bestimmungen zur erweiterten personellen Mitbestimmung als rechtsunwirksam anzusehen und damit ein mit dem Feststellungsantrag des Betriebsrats angegriffener Spruch der Einigungsstelle der Boden entzogen und gegenstandslos, oder ist bei Annahme der Gültigkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung ein dort normierter Ausnahmetatbestand zu einer erweiterten personellen Mitbestimmung anzuwenden ("Beurteilung und Entscheidung über die Geeignetheit eines Stellenbewerbers") und würde eine etwa erforderliche Zustimmung des Betriebsrates zu einer etwa vorliegenden Versetzung der betreffenden Arbeitnehmerin aufgrund gesetzlicher Fiktion des dann geltenden § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gelten, so dass damit der angegriffene Einigungsstellenspruch ins Leere gehen würde, ist in beiden Fällen die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den im Sinne des erstinstanzlich gestellten Antrages dessen Unwirksamkeit feststellenden Beschluss des Arbeitsgerichts unbegründet, da der Spruch der Einigungsstelle in beiden Fällen gegenstandslos ist.
3. Ein für einen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendiges feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist jede durch Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten Lebenssachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache; ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken sondern kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen und auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken, wobei jedoch bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrages sein können, da dies auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus laufen würde, was den Gerichten verwehrt ist.
4. Soweit grundsätzlich auch ein Drittrechtsverhältnis Inhalt eines Feststellungsantrages sein kann, sind erhöhte Anforderungen an das besondere Feststellungsinteresse zu stellen; die begehrte Feststellung muss die Partei in ihrem eigenen Rechtskreis betreffen und die Partei muss selbst ein rechtliches Interesse an der (alsbaldigen) Feststellung haben.
5. Läuft eine Sachentscheidung zu drei Anträgen des Betriebsrats ohne unmittelbare rechtliche Folgen für die verfahrensgegenständlichen Streitpunkte auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens zu den dort gestellten Fragen hinaus, ob im Rahmen der erweiterten Mitbestimmung gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung (im Falle ihrer Rechtswirksamkeit) bei Zustimmungsverweigerung für (alle) "personellen Maßnahmen" keine Frist ("insbesondere nicht § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG") und (damit) nicht die Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG sowie nicht der Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG zu gelten hat, ist die Entscheidung über diese Anträge dem Gericht verwehrt; diesbezügliche Feststellungsanträge sind unzulässig.
Normenkette
BetrVG §§ 99, 77, 99 Abs. 2, 3 Sätze 1-2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 18.06.2013; Aktenzeichen 28 BV 226/12) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 18. Juni 2013 - 28 BV 226/12 - in den Ziffern 2. bis 4. abgeändert:
Die Anträge des Betriebsrats werden insoweit zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligte zugelassen.
Gründe
A.
Der Betriebsrat und Beteiligte zu 1 beantragt zum einen die Feststellung der Unwirksamkeit eines Spruches eines zwischen ihnen durchgeführten Einigungsstellenverfahrens sowie hierzu hilfsweise, dass eine von der Arbeitgeberin durchgeführte personelle Ei...