Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert. Streitwert. Altersteilzeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Rechtsstreitigkeiten darüber, ob eine Arbeitgeberin verpflichtet ist, mit ihrem Arbeitnehmer einen Vertrag über Altersteilzeit abzuschließen, handelt es sich nicht um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten sind solche, die nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind und nicht aus vermögensrechtlichen Verhältnissen entspringen, wobei es dafür auf die Rechtsnatur des Anspruchs, der geltend gemacht wird, ankommt (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 3385 und Ersterer noch in Anmerkung zu EzA § 64 ArbGG Nr. 28, jeweils m. w. N.). Hier begehrt der Kläger zwar sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung, doch bedeutet dies nicht zugleich, dass schon deshalb eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit vorliegt. Letztlich geht es darum, welche Auswirkungen diese Willenserklärungen haben und ob diese vermögensrechtlicher oder nichtvermögensrechtlicher Natur sind.
2. Die Auswirkungen der Willenerklärungen der Beklagten, die der Kläger hier anstrebt, sind vermögensrechtlicher Natur. Dies ergibt sich ohne weiteres daraus, dass der Kläger eine Altersteilzeitregelung anstrebt, die sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag letztlich unmittelbare finanzielle Auswirkungen bei der Beklagten hat.
3. Deshalb ist der Wert des Interesses des Klägers an der antragsgemäßen Abgabe der Willenserklärung gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen (s. a. LAG Köln vom 25. Juli 2003 – 6 Ta 183/03).
4. Es geht letztlich um die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses, das in seiner Wertigkeit nicht höher angesetzt werden kann als die Gefährdung des alten z. B. durch eine Kündigung gem. § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG. Die zuletzt genannte Norm muss daher zu einer Begrenzung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers führen, denn der Streit über ein noch zu begründendes Arbeitsverhältnis kann nicht höher bewertet werden als derjenige über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.
5. Der Gegenstandswert ist nicht auf die bei der Beklagten anfallenden Gesamtaufwendungen für die begehrte Altersteilzeit in Höhe von EUR 24.079,20 zu schätzen, sondern wird analog § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG beschränkt auf den Vierteljahreslohn, also drei Monate à EUR 2.000,– = EUR 6.000,–.
Normenkette
ZPO §§ 3, 3 Abs. 1 Nr. 2; AltersteilzeitG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Beschluss vom 26.02.2003; Aktenzeichen 2 Ca 1337/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagtenvertreters wird derBeschluss desArbeitsgerichts Rosenheim vom26. Februar 2003 – Gz.: 2 Ca 1337/02 – dahingehend geändert, dass der Gegenstandswert nicht EUR 4.000,–, sondern EUR 6.000,– beträgt; im Übrigen wird sie zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, wendet sich gegen eine Gegenstandswertfestsetzung in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht, in dem der Kläger zuletzt folgende Anträge gestellt hat:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers, für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 30. September 2007 einen Altersteilzeitvertrag des Inhalts abzuschließen, dass der Kläger je einen Monat beschäftigt und einen Monat freigestellt wird, anzunehmen.
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 30. September 2007 einen Altersteilzeitvertrag des Inhalts abzuschließen, dass der Kläger vom 1. Oktober 2002 bis 31. März 2005 vollbeschäftigt und vom 1. April 2005 bis 30. September 2007 freigestellt wird, anzunehmen.
Sein Bruttomonatslohn beträgt ca. EUR 2.000,–.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 26. Februar 2003, der der Beklagten am 3. März 2003 zugestellt worden ist, den Gegenstandswert auf EUR 4.000,– festgesetzt und dies damit begründet, es handle sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit; der Kläger begehre die Altersteilzeit aus gesundheitlichen Gründen. Auch im Falle der Zuordnung zu den vermögensrechtlichen Streitigkeiten ergebe sich kein anderer Betrag, da die gestellten Anträge nicht auf die Zahlung eines bestimmten Betrages, sondern auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet seien, weshalb von seinem Sechstel der höchstmöglichen Belastung der Beklagten (EUR 24.079,20) auszugehen sei (ca. EUR 4.000,–).
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit einem am 10. März 2003 am Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt mit folgenden Anträgen:
- Der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 26. Februar 2003 – Gz.: 2 Ca 1337/02 – wird aufgehoben.
- Der Gegenstandsstreitwert der anwaltlichen Tätigkeit wird gem. § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1 BRAGO auf EUR 24.079,20 festgesetzt.
Zur Begründung verweist er darauf, es liege keine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit vor, sondern eine vermögensrechtliche, „denn die Durchführung der Altersteilzeit hätte in voller Höhe dieses Betrages auf die Vermögenssituation der Beteilig...