Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsklage statt Leistungsklage. Teilkündigung einer Pensionsordnung aus wirtschaftlichen Gründen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf diesem Weg eine sachgemäße, einfache Erledigung der Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen.

2. Eine Teilkündigung einer Pensionsordnung ist jedenfalls dann zulässig, wenn sie eine eigenständige Regelung für Änderungen bzw. Kündigungen enthält. Grundsätzlich ist eine Änderung einer Pensionsordnung, die dienstzeit-abhängig noch nicht erdiente Zuwächse betrifft, zulässig (sog. sachlich-proportionale Gründe). Derartige Gründe liegen vor, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten gegeben oder zu erwarten sind, auf die ein vernünftiger Unternehmer reagieren darf und der Eingriff in die betriebliche Altersversorgung verhältnismäßig ist. Verhältnismäßig ist der Eingriff dann, wenn er sich in ein auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtetes Gesamtkonzept einpasst und die Ausgestaltung des Gesamtkonzepts plausibel ist. Wesentliche Beurteilungsgrundlage dafür können die wirtschaftlichen Jahresabschlüsse der Wirtschaftsprüfer sein.

 

Normenkette

BetrAVG § 2 Abs. 1, 5; BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kempten (Entscheidung vom 28.11.2018; Aktenzeichen 4 BV 30/17)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 08.12.2020; Aktenzeichen 3 ABR 44/19)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 28.11.2018 - 4 BV 30/17 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer von der Beteiligten ausgesprochenen Teilkündigung der Betriebsvereinbarung Pensionsordnung 2006.

Die Beteiligte zu 2 (fortan: Arbeitgeberin) produziert und vertreibt Motor- und Getriebeteile für die Automobilindustrie und deren Zulieferer und beschäftigt ca. 300 Arbeitnehmer.

Der Beteiligte zu 1 (fortan: Betriebsrat) ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat. Nach einer zwischen den Beteiligten abgeschlossenen "Pensionsordnung 2006" vom 22.12.2005 (Bl. 5 - 17 d. A.) haben die Beschäftigten der Arbeitgeberin Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung, wobei die betriebliche Altersversorgung mit Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin vom 28.11.2016 (Bl. 19 d. A.) für neu eintretende Mitarbeiter bereits zum 28.02.2017 geschlossen wurde. In der Pensionsordnung 2006 stand unter Punkt 22 mit der Überschrift "Änderung und Entziehung von Leistungen" ua.:

"2) Die Leistungen nach dieser Pensionsordnung können ganz oder teilweise nicht oder nicht mehr gewährt werden, wenn

...

c) sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihm eine Aufrechterhaltung der Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann.

...".

Am 28.06.2017 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich (Bl. 102 - 107 d. A.) ab, in deren Präambel ua. stand:

"Aufgrund der negativen wirtschaftlichen Situation der A. GmbH und der gleichfalls schlechten Zukunftsaussichten sowie den Erfordernissen zur Räumung des Betriebes 1 bis zum Ende des Jahres 2019 hat die Firma folgende unternehmerische Entscheidung getroffen:

1. Verlagerung von Arbeitsplätzen und Maschinen in andere Räume des Unternehmens.

2. Rationalisierung der Fertigung durch Verkettung von Prozessen und Verlagerung von Bauteilen auf automatisierte Linien.

3. Stilllegen von Anlagen/Prozessen infolge von Serienausläufen bzw. Schichtabbau infolge der Reduzierung des Fertigungsvolumens.

4. Auslagerung von arbeitsintensiven Fertigungsprozessen und Kontrolltätigkeiten an A. R. und ggf. Einarbeitung des Personals am Standort F. sowie in der Anlage 1 zu dieser Vereinbarung aufgeführten weiteren Projekte durchzuführen.

5. Von dem Stellenabbau über einen Zeitraum bis Ende 2019 sind insgesamt ca. 66 Arbeitnehmer der Produktion und ca. 12 Arbeitnehmer im indirekten, produktionsnahen Bereich betroffen."

Mit Schreiben vom 27.10.2017 (Bl. 20 d. A.) sprach die Arbeitgeberin eine "(TEIL)KÜNDIGUNG DER PENSIONSORDNUNG 2006" aus, in der stand:

"wie bereits in unserem Vorgespräch am 26.10.2017 mündlich angekündigt, werden wir die Pensionsordnung, wie im Folgenden ausgeführt, kündigen.

Vor dem Hintergrund anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten hat sich die Geschäftsführung der A. F. GmbH dazu entschieden, die für Neueintritte nach dem 28. Februar 2017 bereits geschlossene Betriebsvereinbarung über die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung "Pensionsordnung 2006 (PO 2006 vom 22. Dezember 2005 hiermit fristgerecht mit Wirkung zum Ablauf des 31. Januar 2018 teilweise zu kündigen.

Die mit der Kündigung bezweckten Rechtsfolgen sind wie folgt auf einen vollständigen Wegfall der dritten Besitzstandsstufe und somit auf die zukünftig verdienbaren Zuwächse weiterer Dienstjahre beschränkt:

Die Anwartschaften au...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge