Leitsatz (amtlich)

Die Gerichte für Arbeitssachen sind zur Entscheidung über die Aufrechnung mit einer streitigen Gegenforderung, die klageweise vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden müßte, zuständig. Deshalb haben sie selbst zu entscheiden, ob der Arbeitgeber gegenüber Lohnansprüchen berechtigt mit einer streitigen Mietzinsforderung aus dem Mietverhältnis über eine Werksmietwohnung aufrechnet. Eine Aussetzung der Lohnklage entsprechend § 148 ZPO mit der befristeten Auflage an den Arbeitgeber, die Berechtigung der Mietzinsforderung durch eine Klage vor dem gem. § 23 Nr. 2 a GVG zuständigen Amtsgericht klären zu lassen, ist nicht zulässig.

 

Normenkette

BGB § 387; GVG §§ 13, 17 Abs. 2, § 23 Nr. 2a; ZPO §§ 148, 302

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Beschluss vom 11.04.1997; Aktenzeichen 1 Ca 3168/90)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Regensburg vom 11. April 1997 aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger steht zur Beklagten seit 1974 in einem Arbeitsverhältnis als Maler. Daneben besteht ein Mietverhältnis über eine Werkswohnung nach § 565 c BGB, bei der die Beklagte ab 2.7.1996 mit erheblichen Umbauarbeiten am gesamten Wohnblock begann. Der Kläger machte daraufhin wegen Baulärm, Staub und sonstiger Beeinträchtigungen eine monatliche Mietzinsminderung von DM 300,– geltend und zahlte entsprechend weniger an Mietzins. Die Beklagte erklärte daraufhin gegenüber den Lohnansprüchen des Klägers die Aufrechnung, weil sie die Mietzinsreduzierung für unberechtigt hält und kürzte ihrerseits den Monatslohn des Klägers um DM 300,–.

Mit seiner zum Arbeitsgericht Regensburg erhobenen, mehrfach erweiterten Klage fordert der Kläger schließlich für die Zeit vom 1.7.1996 bis 30.4.1997 den einbehaltenen Lohn von DM 3.000,– nebst Zinsen. Streitig ist, ob die Forderung durch Aufrechnung mit Mietzinsrückständen in gleicher Höhe erloschen ist bzw. ob die Mietzinsminderung durch den Kläger wirksam ist.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat angenommen, daß für die Mietzinsansprüche die Amtsgerichte gem. § 23 Nr. 2 a GVG ausschließlich zuständig seien, weshalb für die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben sei. Mit Beschluß vom 12.4.1997 hat es den vorliegenden Rechtsstreit bis zur Erledigung eines Rechtsstreits über die Berechtigung Mietzinsminderung ausgesetzt und der Beklagten zu einer entsprechenden Klageerhebung vor dem Amtsgericht eine Frist bis 16.5.1997 gesetzt.

Gegen diesen Beschluß hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.4.1997, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, daß ein Aussetzungsgrund nach § 148 ZPO nicht vorliege und im übrigen das Arbeitsgericht zur Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nach § 17 Abs. 2 GVG zuständig sei. Das Arbeitsgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit Beschluß vom 4.11.1997 der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Beschwerdegericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 252 ZPO, § 78 Abs. 1 ArbGG) und ordnungsgemäß eingelegt (§ 569 ZPO).

Die Beschwerde ist auch begründet. Das Beschwerdegericht vermag sich der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts nicht anzuschließen. Das Arbeitsgericht ist zur Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung zuständig.

Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, daß für Mietzinsansprüche der Beklagten aus dem Werkswohnungsmietvertrag der Parteien, wenn sie selbständig im Wege der Klage geltend gemacht werden, gem. § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und hier gem. § 23 Nr. 2 a GVG die ausschließliche Zuständigkeit der Amtsgerichte gegeben wäre. Zugleich entspricht es inzwischen ständ. Rspr., (seit BAG 26.3.1992 NZA 1992, 954), daß aufgrund des 4. VwGO-Änderungsgesetzes (BGBl 1990 I 2809 ff.) seit 1.1.1991 das Verhältnis der Gerichte für Arbeitssachen zu den ordentlichen Gerichten (Zivilgerichten) eine Frage des Rechtsweges ist, nicht mehr nur eine Frage der sachlichen Zuständigkeit. Bei der Mietzinsforderung der Beklagten geht es deshalb um die Aufrechnung mit einer rechtswegsfremden Forderung.

Bis zur Neufassung des § 17 GVG war es herrschende Meinung, daß die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung nur dann berücksichtigt werden kann, wenn diese rechtskräftig oder bestandskräftig zwischen den Parteien festgestellt ist oder wenn sie vom Schuldner anerkannt wird (vgl. BGHZ 16, 124 fr.; BVerwG NJW 1987, 2530 und NJW 93, 2255). Nach der Neufassung des § 17 GVG ist sehr umstritten, ob sich insoweit die Rechtslage geändert hat, d. h. ob sich nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG n.F. der Prüfungsumfang auch auf die Aufrechnung mit einer streitigen, rechtswegfremden Forderung erstreckt (vgl. die Nachweise aus Rspr. und Schrifttum bei Gaa NJW 1997, 3343 Fn. 7).

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Prüfungskompetenz auch bei Ansprüchen besteht, für deren originäre Geltendmachung der Rechtsweg zu den Verwaltungs-, Finanz- oder Sozialgerichten ge...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?