Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierungssystematik in § 12 Abs. 2 TVöD-VKA. Darlegungslast im Eingruppierungsprozess. Auslegung von Tarifnormen
Leitsatz (redaktionell)
1. Im TVöD ist diejenige Eingruppierung maßgebend, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten auszuübenden Tätigkeit entsprechen und deren Arbeitsvorgänge zeitlich mindestens die Hälfte der Tätigkeit des Arbeitnehmers umfassen.
2. Bei einer Eingruppierungsklage muss der Arbeitnehmer bei aufeinander aufbauenden Tätigkeitsmerkmalen sowohl einen schlüssigen Vortrag mit genauer Darstellung der eigenen Tätigkeit als auch einen Vergleich mit nicht herausgehobenen Tätigkeiten vorlegen, aus dem dann ein wertender Vergleich zu der begehrten Entgeltgruppe vorgenommen werden kann.
3. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt zunächst nach dem Wortlaut. Reicht dieser nicht aus, kommen danach der wirkliche Wille der Tarifparteien, der beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifregelung, die Tarifsystematik und - wenn Zweifel bleiben - auch die Entstehungsgeschichte, die praktische Tarifausübung und die Praktikabilität als Auslegungskriterien in Betracht.
Normenkette
BGB § 611; TVöD-VKA § 12; TVöD-VKA EG P 12; TVöD-VKA EG P 13
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 25.10.2018; Aktenzeichen 5 Ca 676/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Augsburg (Az. 5 Ca 676/18) vom 25.10.2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Eingruppierung der Klägerin.
Die Beklagte ist ein selbstständiges Kommunalunternehmen des Öffentlichen Rechts des Bezirks Y. und betreibt in W. das B. W., eine Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik.
Die Klägerin ist seit dem 01.10.1995 bei der Beklagten im B. W. beschäftigt. Sie arbeitet dort als Stationsleitung der Station X. mit einem Arbeitszeitanteil von 85% einer Vollzeitbeschäftigung. Als Stationsleiterin sind der Klägerin die im Pflegedienst der Station tätigen Mitarbeiter unterstellt.
Aufgrund beiderseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seit deren Inkrafttreten am 01.01.2017 die Entgeltordnung zum TVöD für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Anwendung.
Mit Inkrafttreten der Entgeltordnung zum TVöD-VKA wurde die Klägerin zunächst in die Entgeltgruppe P 10 eingruppiert. Mit Schreiben vom 29.11.2017 beantragte die Klägerin die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe P 13, hilfsweise in die Entgeltgruppe P 12, jeweils rückwirkend zum 01.01.2017. Mit Schreiben vom 11.12.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass man sie rückwirkend in die Entgeltgruppe P 12 eingruppieren werde. Mit der Klage macht die Klägerin die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe P 13 TVöD-VKA sowie die Vergütungsdifferenz zur Entgeltgruppe P 12 seit Januar 2017 geltend.
Auf der Station X. werden unter anderem Patienten betreut, die nach dem Betreuungsgesetz, dem Unterbringungsgesetz oder nach § 63 StGB eingewiesen wurden. Diese Patienten bedürfen einer ständigen Beaufsichtigung, da bei ihnen die Gefahr der Entweichung grundsätzlich höher ist als bei anderen Patienten. Es handelt sich jedoch um eine offene Station, auf der die Patienten nicht mithilfe von physischen Barrieren daran gehindert werden, die Station zu verlassen. Bei den anderen auf der Station untergebrachten Patienten handelt es sich teils um Patienten mit schwerer Schizophrenie, die einer intensiven Betreuung bedürfen.
Neben der Organisation des Dienstplans des Pflegepersonals der Station ist die Klägerin für die Verwaltung des der Station zugeordneten Budgets verantwortlich. Sie hat eine umfassende Verfügungskompetenz hinsichtlich sämtlicher Daten, Vorgänge und Abläufe, die zur pflegerischen Leitung der Station erforderlich sind. Zudem hat die Klägerin umfassende Informationskompetenz in allen organisatorischen, personellen und pflegerisch-fachlichen Angelegenheiten, die im Rahmen der pflegerischen Leitung der Station erforderlich sind. Auf die Stellenbeschreibung der Stelle der Klägerin wird verwiesen [Bl. 5 bis 12 d. A.].
Die Klägerin behauptet, dass ihr in der Regel mehr als zwölf Beschäftigte unterstellt seien. Dies ergebe sich aus dem Dienstplan der von der Klägerin pflegerisch geleiteten Station X. für den Monat August 2018. Die Station bestehe aus 10,26 Vollzeitstellen sowie zwei Stationsassistentinnen, also insgesamt 12,26 Beschäftigten.
Die Klägerin war erstinstanzlich der Rechtsauffassung, dass es sich bei einer Station, auf welcher der Stationsleitung zehn Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) fachlich unterstellt sind, um eine "große Station" im Sinne der Entgeltgruppe P 13 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA handle. Dies ergebe sich aus den Vorbemerkungen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) Teil B XI. 2. Leitende Beschäftigte in der Pflege, die in Ziffer 1 Satz 1 lit. b) die Station als kleinste organisatorische Einheit beschreiben, deren Stationsleitung in der Regel nicht mehr als ...