Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmenseinheitlicher Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zuständig für den Abschluss einer Vereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats ist der Gesamtbetriebsrat.

Ein Betriebsrat, der nach der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nicht mehr existiert, hat insoweit kein Vetorecht.

2. § 3 Abs. 2 BetrVG schließt eine Betriebsvereinbarung über einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat nur dann aus, wenn ein „anderer Tarifvertrag” kraft Tarifbindung des Arbeitgebers oder Allgemeinverbindlichkeit gilt, nicht dagegen bei einer lediglich einzelvertraglichen Bezugnahme auf den Tarifvertrag.

 

Normenkette

BetrVG § 3 Abs. 1a, 2, § 50 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 26.11.2010; Aktenzeichen 37 BV 73/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 24.04.2013; Aktenzeichen 7 ABR 71/11)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 26.11.2010 – 37 BV 73/10 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.11.2009 in Verbindung mit der Änderung vom 04.11.2010 wirksam die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats bestimmt wurde.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.11.2009 wirksam die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats bestimmt wurde.

Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) bietet Softwareprodukte und Dienstleistungen am europäischen Bankenmarkt an. Sie hat insgesamt 321 Arbeitnehmer, von denen 192 am Standort A-Stadt, 15 in I, 91 in E-Stadt, 16 in J und 7 in K beschäftigt werden. Die Arbeitgeberin ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband. In den meisten Einzelarbeitsverträgen wird auf die Tarifverträge der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie Bezug genommen.

Ab 01.10.2003 galt bei der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung nach § 3 Abs. 1 BetrVG, die von ihrer Rechtsvorgängerin, der L Gesellschaft für Bankensoftware mbH & Co. KG, dem Betriebsrat dieser Gesellschaft sowie dem Gesamtbetriebsrat der M Business Services & Co. OHG, ebenfalls eine Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, geschlossen worden war (Bl. 13 f. d. A.). Darin war die Bildung von zwei regionalen Betriebsräten geregelt. In der Region L Süd wurden die Standorte südlich von E-Stadt am N und in der Region L Nord die Standorte in und nördlich von E-Stadt am N zusammengefasst. Der Betriebsrat Süd bestand aus 9 Mitgliedern und der Betriebsrat Nord aus 7 Mitgliedern. Darüber hinaus wurde ein Gesamtbetriebsrat mit 4 Mitgliedern gebildet, von denen jeweils 2 von den beiden Betriebsräten gestellt sind.

Nachdem die Arbeitgeberin dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats, der zugleich Vorsitzender des Betriebsrats Süd ist, den Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats übermittelt hatte, ließ der Betriebsrat Süd ein Gutachten hierzu erstellen (Bl. 21 ff. d A.). Dieses Gutachten wurde dem Betriebsrat Nord am 10.11.2009 übermittelt. Am 13.11.2009 erhielten die vom Betriebsrat Nord bestellten Mitglieder des Gesamtbetriebsrats die Ladung zu einer Sitzung des Gesamtbetriebsrats am 23.11.2009. Darin war als Tagesordnungspunkt 2 die Beschlussfassung über die Betriebsvereinbarung zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats angegeben. Beigefügt war auch der Entwurf der Betriebsvereinbarung, der nach Verhandlungen ohne Beteiligung von Vertretern des Betriebsrats Nord geändert worden war. Am 16.11.2009 beschloss der Betriebsrat Nord, die Betriebsratswahlen 2010 für den Betriebsrat Nord am 10.03.2010 durchzuführen, und setzte einen Wahlvorstand ein. Am 23.11.2009 nahm der Gesamtbetriebsrat den Vorschlag einer Betriebsvereinbarung zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gegen die Stimmen der Vertreter des Betriebsrats Nord an (Protokoll Bl. 38 f. d. A.). Danach wurde die Betriebsvereinbarung (Bl. 40 ff. d. A.), die von der Arbeitgeberin bereits unterzeichnet war, für den Gesamtbetriebsrat unterschrieben. Danach wird bei der Arbeitgeberin ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gebildet, der die bestehenden Regionalbetriebsräte Nord und Süd und den Gesamtbetriebsrat ablöst. Die Gesamtbetriebsvereinbarung enthält u.a. folgende weitere Regelungen:

….

§ 2 Ermittlung von Schwellenwerten

Bei der Beurteilung der Frage ob eine Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG vorliegt wird ausnahmsweise auf die Anzahl der Mitarbeiter der bisherigen Regionen Nord (J, K, E-Stadt) bzw. Süd (I, A-Stadt)

abgestellt, sofern von der Betriebsänderung nur Mitarbeiter einer Region betroffen sind und diese nicht auf einer Gesamtplanung beruht.

§ 3 Organisatorisches

An den einzelnen Standorten werden aufgrund der zu betreuenden Mitarbeiter entsprechende Betriebsratsbüros zur Verfügung gestellt, sofern ein Betriebsratsmitglied an dem betreffenden Standort seinen Dienstsitz hat.

§ 4 Größe des Gremiums

Für die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrat...

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