Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenrechnung unterschiedlicher Streitgegenstände i.S.d. § 45 Abs. 1 GKG. Streitwertkatalog für die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit. Einheitlicher Streitgegenstand im Gebührenrecht. Keine Identität zwischen Einleitungserzwingungsverfahren und Widerantrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung
Leitsatz (amtlich)
Einleitungserzwingungsanträge des Betriebsrats bzgl. der Eingruppierung von Arbeitnehmern in bestimmte Vergütungsgruppen und Wideranträge der Arbeitgeberin auf gerichtliche Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung betreffen nicht denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG und werden nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zusammengerechnet.
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen hat die auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission Vorschläge erarbeitet, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind.
2. Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 S. 3 GKG handelt es sich um einen selbstständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Ein und derselbe Gegenstand liegt vor, wenn die beiderseitigen Ansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1, 4, § 101 analog; GKG § 39 Abs. 1, § 42 Abs. 2, § 45 Abs. 1; RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 19.06.2023; Aktenzeichen 27 BV 208/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) wird der Gegenstandswertbeschluss des Arbeitsgerichts München vom 19.06.2023 - 27 BV 208/22 - teilweise unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren und für den Vergleich wird auf je 12.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren.
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens waren zwei Einleitungserzwingungsanträge des Betriebsrats betreffend die Eingruppierung von zwei Arbeitnehmern in die Tarifgruppe TG V des Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten der deutschen Immobilienwirtschaft, die als Projektleitung für Z und Y bzw. X eingestellt wurden, sowie zwei Wideranträge der Arbeitgeberin auf gerichtliche Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung dieser beiden Arbeitnehmer in die Tarifgruppe TG IV des genannten Tarifvertrags. Durch Beschluss vom 17.03.2023 gab das Arbeitsgericht München den Wideranträgen der Arbeitgeberin teilweise statt und wies die Anträge des Betriebsrats ab.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, den Gegenstandswert auf 20.000,00 € festzusetzen, und nach Anhörung beider Verfahrensbevollmächtigten hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 19.06.2023 - 27 BV 208/22 - den Gegenstandswert für das Verfahren insgesamt auf 10.000,00 € festgesetzt. Streitig sei die Frage, die auch im Widerantrag zum Ausdruck komme, ob die Arbeitnehmer richtig eingruppiert seien und die nicht erteilte Zustimmung zu ersetzen sei.
Den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wurde der Beschluss am 20.06.2023 zugestellt, gegen den sie noch am selben Tage Beschwerde eingelegt und ihren Festsetzungsantrag weiterverfolgt haben. Die Wideranträge seien zwar nicht eigenständig zu bewerten, aber werterhöhend zu berücksichtigen. Die Wideranträge erhöhten den anwaltlichen Aufwand, also den Umfang der Sache. Dies spiegele sich auch in der Länge des Beschlussverfahrens wider. Auch sei die Vorläufigkeit der Maßnahme zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.08.2023 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Die Wideranträge begründeten keine Werterhöhung. Die Wideranträge stellten positiv betrachtet das dar, was der Betriebsrat zu erreichen suchte, nämlich die Achtung des Mitbestimmungsrechts, wenn auch zu einer anderen Entgeltgruppe. Die "Vorläufigkeit der Maßnahme" sei nicht streitgegenständlich gewesen.
Im Rahmen der Stellungnahme auf den Nichtabhilfebeschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hiergegen geltend gemacht, dass die Wideranträge erst nach der Umsetzung der zustimmungspflichtigen Maßnahmen ohne Ersetzung der Zustimmung gestellt worden seien, so dass sie nur so verstehen sein, dass auch die Rechtmäßigkeit der vorläufig durchgeführten Maßnahme erkannt werde.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
Die nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthafte Beschwerde ist zulässig und zu einem Teil begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Der...