Leitsatz (amtlich)
1. Die Einigungsstelle ist nur dann offensichtlich unzuständig im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, wenn ihre Zuständigkeit bei fachkundiger Beurteilung der einschlägigen Tat- und Rechtsfragen durch das Gericht auf den ersten Blick erkennbar unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist.
2. Die richtige Beantwortung einer Rechtsfrage ist nicht stets offensichtlich im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Es kommt auch nicht auf das Maß der dem Gericht abgeforderten Gedankenarbeit an, vielmehr ist entscheidend, ob die vom Gericht aufgrund gewissenhafter Prüfung gewonnene Rechtsmeinung derart eindeutig ist, daß keinerlei vernünftige Zweifel an ihr möglich sind. Eine solche Eindeutigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die gewonnene Rechtsmeinung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht und keine einsichtigen neuen Erwägungen gegen die Rechtsprechung dargetan werden.
3. Die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen der Zuständigkeit der Einigungsstelle darf mit Rücksicht auf den maßgeblichen Untersuchungsgrundsatz nicht ausschließlich aufgrund der Tatsachenbehauptungen des Antragstellers stattfinden. Eine Beweisaufnahme ist jedoch nur da geboten, wo ein eindeutiges, also jeden Zweifel ausschließendes Ergebnis erwartet werden kann, wie dies in der Regel bei der Erhebung eines Urkundenbeweises, der Erholung amtlicher Auskünfte, Einholung von Handelsregisterauszügen u.ä. der Fall sein wird, während eine Zeugeneinvernahme und ein Sachverständigengutachten in aller Regel nicht in Betracht kommen, weil deren Bewertung in aller Regel nicht jeden vernünftigen Zweifel ausschließen kann.
Normenkette
ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 03.05.1988; Aktenzeichen 14 BV 32/88) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts München – Az.: 14 BV 32/88 – vom 3. Mai 1988 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Das Beschlußverfahren gemäß § 98 ArbGG soll die Berechtigung des Begehrens des antragstellenden Gesamtbetriebsrats – des nunmehrigen Beschwerdegegners – klären, eine Einigungsstelle mit je drei Beisitzern der Unternehmensleitung und der Gesamtbetriebsvertretung zu bilden, die darüber befinden soll, ob die Antragsgegnerin ihren Einfluß in der Pensionskasse der … zu Gunsten einer Zurückverlegung des technischen Versicherungsbeginns zweier unternehmensangehöriger Arbeitnehmer geltend zu machen und dieser zuzustimmen hat.
Von der Darstellung des Sachverhalts im einzelnen wird abgesehen und insoweit auf die tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung des Erstgerichts Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Richter am Arbeitsgericht zum Vorsitzenden bestellt und die Zahl der Beisitzer auf je 3 bestimmt. Wegen der vom Erstgericht für seine Entscheidung angeführten rechtlichen Erwägungen und aller sonstigen Einzelheiten der Vorentscheidung wird auf den Beschluß des Arbeitsgerichts verwiesen.
Mit ihrer Beschwerde bekämpft die Antragsgegnerin die erstgerichtliche Entscheidung vorwiegend aus Rechtsgründen. Gegen die festgesetzte Zahl der Mitglieder und die Person des vom Arbeitsgericht bestimmten Vorsitzenden werden dagegen von den Beteiligten keine Einwendungen mehr erhoben.
Der Beschwerdegegner bittet um Zurückweisung der Beschwerde aus den Gründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
Ergänzend wird auf die Feststellungen der Niederschrift über den Anhörungstermin vom 14.3.1989, die im Beschwerderechtszug eingereichten Schriftsätze und den gesamten sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Antrag und Beschwerde sind zulässig, die Antragsbefugnis des Gesamtbetriebsrats und die Beteiligungsbefugnis der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gegeben, das Rechtsmittel ist auch in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden, somit zulässig. Das Beschlußverfahren ist auch die richtige Verfahrensart.
2. In der Sache bleibt der Beschwerde der Erfolg versagt, denn die Einigungsstelle ist jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig, die abschließende Entscheidung über ihre Zuständigkeit ist der Prüfung durch die Einigungsstelle und gegebenenfalls einem Beschlußverfahren gemäß § 2 a ArbGG vorbehalten.
Im einzelnen gilt folgendes:
a)
Nach § 98 ArbGG und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit als Vorfrage selbst prüfen und feststellen, ohne im Streitfalle den Ausgang eines Beschlußverfahrens über den Bestand des strittigen Beteiligungsrechts abwarten zu müssen (u. a. BAG vom 24.11.1985 – 1 ABR 42/79). Die Entscheidung dieser Vorfrage entfaltet jedoch keine bindende Wirkung zwischen den Betriebspartnern. Eine abschließende und bindende Wirkung kommt erst der Entscheidung in einem Beschlußverfahren gemäß § 2 a ArbGG zu; bis dahin kann daher die Unzuständigkeit der Einigungsstelle jederzeit geltend gemacht werden.
Bestehen bereits über die Bildung einer Einigungsstelle und/oder deren Besetzung Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten, so ...