Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufsichtsratswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wahl eines Arbeitnehmervertreters zum Aufsichtsrat eines herrschenden Unternehmens, das selbst keine Arbeitnehmer beschäftigt, durch die Arbeitnehmer des beherrschten Unternehmens gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 2 Abs. 1 und Abs. 2 DrittelbG ist nicht nichtig (entgegen BAG, B. v. 24.05.1957, AP Nr. 7 zu § 76 BetrVG (1952), zur früheren Rechtslage).
2. Die Regelungen zum Beherrschungsvertrag in §§ 18 und 291 AktG finden (insoweit) unabhängig von der Rechtsform des herrschenden und des beherrschten Konzernunternehmens Anwendung.
Normenkette
DrittelbG § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 26.01.2006; Aktenzeichen 19a BV 444/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Fa. S. GmbH wird derBeschluss des Arbeitsgerichts München vom26. Januar 2006 – 19a BV 444/04 – abgeändert:
Der Antrag der Beteiligten zu 1. wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligte zu 1 macht die Unwirksamkeit der Wahl des Beteiligten zu 2 als Arbeitnehmervertreters zum Aufsichtsrat bei der Beteiligten zu 1 geltend.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1 ist eine Beteiligungsgesellschaft, deren Tätigkeit sich nach ihrem Vorbringen auf die Verwaltung eigener Industriebeteiligungen beschränkt, und die, was streitig ist, keinen oder allenfalls einen Arbeitnehmer (Prokuristen) beschäftigt. Die Beteiligte zu 1 ist Gesellschafterin der Fa. I.-Betriebsgesellschaft (I.) mbH mit einem Anteil von 87,4 % an deren Stammkapital; weitere Beteiligungen der Beteiligten zu 1 bestehen weder an der I. mbH noch an anderen Gesellschaften. Zwischen der Beteiligten zu 1 und der Fa. I. mbH besteht ein Beherrschungsvertrag. Die Fa. I. mbH beschäftigt rund 1.000 Arbeitnehmer; bei dieser besteht ein drittel-paritätisch mitbestimmter Aufsichtsrat.
Der bei der Fa. I. mbH bestehende Gesamtbetriebsrat teilte der Beteiligten zu 1 mit Schreiben vom 06.02.2004 (Anl. Ast 3, Bl. 13 d. A.) mit, dass er einen Unternehmenswahlvorstand für die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat bei der Beteiligten zu 1 bestellt habe. Auch der Betriebsrat bei der Fa. I. mbH teilte den Geschäftsführern der Beteiligten zu 1 mit Schreiben vom 16.02.2004 (Anl. Ast 4, Bl. 14 d. A.) ebenfalls mit, dass er am 13.02.2004 einen Betriebswahlvorstand für die Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat bei der Beteiligten zu 1 bestellt habe. Beide Schreiben waren jeweils vom Beteiligten zu 2 unterzeichnet. Die personelle Zusammensetzung beider Wahlvorstände war identisch.
Daraufhin beantragte die Beteiligte zu 1 im Wege des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet gegen den Gesamtbetriebsrat bei der I. mbH, die Unterlassung der angekündigten Einleitung und Durchführung des Wahlverfahrens zur Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat bei der Beteiligten zu 1. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 05.08.2004, bestätigt durch Beschluss der Beschwerdekammer vom 28.10.2004 (Az. 4 TaBV 50/04 – etwa Anl. AG 2, Bl. 132 bis 143 d. A. –), zurückgewiesen.
Am 15.10.2004 erließ der vom Gesamtbetriebsrat bei der Fa. I. mbH bestellte Hauptwahlvorstand ein Wahlausschreiben für die Wahl eines Arbeitnehmervertreters in den Aufsichtsrat bei der Beteiligten zu 1 (Anl. Ast 5, Bl. 15 bis 17 d. A.), die am 30.11.2004 stattfand und bei der der hiesige Beteiligte zu 2, Herr M., als Mitglied des Aufsichtsrats bei der Beteiligten zu 1 gewählt wurde, was dieser mit Schreiben des Hauptwahlvorstandes vom 01.12.2004 (Anl. Ast 6, Bl. 18 d. A.) bekannt gegeben wurde.
Mit dem vorliegenden Antrag gemäß Schriftsatz vom 07.12.2004, am selben Tag zunächst per Telefax beim Arbeitsgericht München eingegangen, beantragte die Beteiligte zu 1, die Aufsichtsratswahl vom 30.11.2004 für unwirksam zu erklären.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens sowie der Anträge der Beteiligten im Ersten Rechtszug wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 26.01.2006, der den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 am 25.04.2006 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Aufsichtsratswahl vom 30.11.2004 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Beteiligten zu 1 mit der näheren Begründung für unwirksam erklärt hat, dass die Wahl eines Arbeitnehmervertreters zum Aufsichtsrat bei der Beteiligten zu 1 unzulässig gewesen sei, da diese keine Arbeitnehmer beschäftige. Das Bundesarbeitsgericht habe mit Beschluss vom 24.05.1957 entschieden, dass dann, wenn eine in Form einer Aktiengesellschaft betriebene Holdinggesellschaft selbst keine Arbeitnehmer beschäftige, die Wahl von Arbeitnehmervertretern für einen Aufsichtsrat bei ihr entfalle. Unstreitig sei bei der Beteiligten zu 1 mit Ausnahme des Prokuristen (R.) niemand beschäftigt, wobei dieser zumindest im betriebsv...