Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Betriebsvereinbarung – Regelungsabrede: Unterlassungsanspruch gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
1. Auch eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die der in § 77 Abs. 2 BetrVG geregelten Form entspricht, kann eine ledigliche Regelungsabrede sein. Für die Abgrenzung von Betriebsvereinbarung und Regelungsabrede kommt es auf den Regelungsgehalt und den Regelungswillen an.
2. Greift eine Regelungsabrede in einen Bereich ein, für den im Rahmen einer Betriebsvereinbarung eine Sperrwirkung nach § 77 Abs. 3 BetrVG bestünde, so ist ein Unterlassungsantrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG nicht begründet.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 2-3, § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 17.12.1997; Aktenzeichen 31 BV 235/97) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 17.12.1997 – 31 BV 235/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A
Die (Antragstellerin) Beteiligte zu 1) wendet sich gegen zwei Vereinbarungen, die die (Antragsgegnerin) Beteiligte zu 2), ein Bauunternehmen, mit ihrem Gesamtbetriebsrat, dem Beteiligten zu 3, abgeschlossen hat.
In diesen beiden mit „Regelungsabrede” überschriebenen Vereinbarungen vom 30.04.1997 wurde vereinbart, daß in dem Zeitraum vom 01.05.1997 bis 30.04.1999 die regelmäßige Wochenarbeitszeit für alle Mitarbeiter 2,5 Stunden über der tariflich festgelegten Arbeitszeit liegt und diese 2,5 Stunden Mehrarbeit ohne Lohn- bzw. Gehaltsausgleich durchgeführt werden. Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Regelungen lediglich durch eine unterschiedliche Gestaltung des Arbeitszeitkontos.
Bezüglich des genauen Inhaltes der beiden „Regelungsabreden” wird auf die Vereinbarungen vom 30.04.1997 (Bl.19 u. 20 d. Akte) verwiesen.
Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, diese beiden Vereinbarungen seien Betriebsvereinbarungen und würden somit gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen. Es bestehe somit ein Anspruch auf Unterlassung der Durchführung dieser Vereinbarungen. Ferner bestehe ein Anspruch der Beteiligten zu 1), die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, daß diese den allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe, den Rahmentarifvertrag für die Poliere des Baugewerbes im Gebiete der BRD und den Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der BRD anwendet. Ferner bestehe ein Anspruch gegen die Beteiligte zu 2) auf Unterlassung, die Arbeitnehmer aufzufordern, ihr Einverständnis zu einer dieser Regelungsabreden abzugeben.
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt
- Die beteiligte Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, die Regelungsabrede über Mehrarbeit und erweiterte Teilzeitmöglichkeiten vom 30. April (Variante 1), abgeschlossen zwischen dem Gesamtbetriebsrat der beteiligten Gesellschaft und der Gesellschaft durchzuführen.
Die beteiligte Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, die Regelungsabrede über Mehrarbeit und erweiterte Teilzeitmöglichkeiten vom 30. April (Variante 2), abgeschlossen zwischen dem Gesamtbetriebsrat der beteiligten Gesellschaft und der Gesellschaft durchzuführen,
unter Androhung eines Ordnungsgeldes in jedem Falle der Zuwiderhandlung, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
- Die Beteiligte zu 2) und Antragsgegnerin zu verpflichten, für alle Arbeiter des Betriebs den allgemein verbindlichen Tarifvertrag, nämlich den Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe in der Fassung vom 30.11.1996 und des Änderungstarifvertrages zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe zum 09.06.1997 anzuwenden und
- für alle Poliere den Rahmentarifvertrag für die Poliere des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12.06.1978 bzw. vom 11.02.1991 (Überleitungstarifvertrag) in der Fassung vom 19.05.1992 anzuwenden und
- für alle Angestellten, soweit diese Mitglieder der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sind, den Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12.06.1978 bzw. 11.02.1991 (Überleitungstarifvertrag) in der Fassung vom 19.05.1992 anzuwenden.
Die Antragsgegnerin zu verurteilen, es zu unterlassen, bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer (ausgenommen: Leitende Angestellte) aufzufordern, eine Einverständniserklärung des Inhalts abzugeben, daß diese ihr Einverständnis damit erklärt, die Teilzeitmöglichkeiten (Variante 1) und die Regelungsabrede über Mehrarbeit und erweiterte
Teilzeitmöglichkeiten (Variante 2) ab dem 01.05.1997 oder zu einem späteren Zeitpunkt auf ihr bestehendes Arbeitsverhältnis anzuwenden.
Hilfsweise dazu:
die Unterlassungspflicht lediglich auf alle Arbeiter und die gewerkschaftlichen organisierten Angestellten zu beschränken.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt
den Antrag zurückzuweisen
mit der Begründung, die Unterlassungsansprüche seien mangels Bestimmtheit unzulässig, über dies ...