Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer tarifvertraglichen Öffnungsklausel

 

Leitsatz (amtlich)

§ 7 Nr.2 Satz 2 ERA-TV für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie ist dahin auszulegen, dass den Betriebsparteien nur erlaubt ist, den Beurteilungszeitraum zu verlängern, nicht aber einen Beurteilungszeitpunkt innerhalb des – ggf. verlängerten – Beurteilungszeitraums festzulegen.

 

Normenkette

TVG § 1; GG Art. 9 Abs. 3; Entgeltrahmentarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 01.11.2005 (ERA-TV) § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Kempten (Beschluss vom 17.09.2009; Aktenzeichen 5 BV 22/09)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 16.11.2011; Aktenzeichen 7 ABR 27/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 17.09.2009 – 5 BV 22/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Auslegung einer Betriebsvereinbarung über leistungsabhängiges Entgelt.

Die Beteiligte zu 2 ist kraft Verbandsmitgliedschaft an den Entgeltrahmentarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 01.11.2005 (ERA-TV) gebunden. § 6 ERA-TV regelt die Zahlung eines leistungsabhängigen Entgelts. Um dieses Entgelt zu ermitteln, sieht § 7 ERA-TV ein Verfahren zur Leistungsbeurteilung vor. Dort ist – unter anderem – geregelt:

§ 7 Leistungsbeurteilung

1. …

2. Bei Neueingestellten bzw. aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen erfolgt die Leistungsbeurteilung spätestens zum Ablauf des 3. Monats der Einstellung bzw. der Übernahme. Diese Frist kann in den Entgeltgruppen 6 bis 12 durch freiwillige Betriebsvereinbarung bis zum Ablauf des 6. Monats verlängert werden.

9. Bei Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit und entsprechender Höhergruppierung erfolgt eine neue Leistungsbeurteilung analog Ziff. 2. Bis zur Neufestsetzung der Leistungszulage ist der bisherige Geldbetrag weiter zu gewähren.

Zur Ausfüllung dieser Tarifregelung schlossen die Beteiligten am 09.01.2007 eine Betriebsvereinbarung „Leistungsabhängiges Entgelt”. Dort ist in § 3 Ziffer 5 geregelt:

Bei Neueingestellten bzw. aus dem Berufsausbildungsverhältnis Übernommenen erfolgt die Leistungsbeurteilung grundsätzlich zum Ablauf des 3. Monats der Einstellung bzw. Übernahme. In den Entgeltgruppen 6 bis 12 erfolgt die Leistungsbeurteilung abweichend von Satz 1 zum Ablauf des 6. Monats der Einstellung bzw. Übernahme.

Der antragstellende Betriebsrat ist der Auffassung, § 3 Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung vom 09.01.2007 sei auch im Falle der Höhergruppierung anzuwenden; dies ergebe sich aus § 7 Ziffer 9 ERA-TV. Die Festlegung des Zeitpunkts der Leistungsbeurteilung in der Betriebsvereinbarung vom 09.01.2007 halte sich an die Vorgaben der tarifvertraglichen Öffnungsklausel in § 7 Ziffer 2 ERA-TV, weil der Beurteilungszeitpunkt innerhalb der – zulässigerweise verlängerten – Frist liege, auch wenn es sich um den spätestmöglichen Zeitpunkt innerhalb dieser Frist handele. Dies gelte auch für den Fall der Höhergruppierung, weil sich § 7 Ziffer 9 ERA-TV auf Ziffer 2 beziehe. Die Folge hiervon sei, dass die Arbeitgeberin im Falle von Höhergruppierungen verpflichtet sei, die bisherige Leistungszulage für den Zeitraum von sechs Monaten bis zur neuen Leistungsbeurteilung weiterzuzahlen.

Demgegenüber ist die Beteiligte zu 2 der Auffassung, die Betriebsvereinbarung vom 09.01.2007 sei im Sinne des ERA-TV auszulegen, der nur die Verlängerung des Beurteilungszeitraums, nicht jedoch die Festlegung eines Beurteilungszeitpunkts zulasse. Sie sei daher berechtigt, bei Höhergruppierungen die Leistungsbeurteilung früher als vor Ablauf des sechsten Monats nach der Höhergruppierung vorzunehmen.

Das Arbeitsgericht Kempten hat mit Beschluss vom 17.09.2009 – 5 BV 22/09 –, auf den hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge sowie der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, dem Begehren des Antragstellers, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, in den Entgeltgruppen 6 bis 12 die Leistungsbeurteilung früher als sechs Monate nach einer Höhergruppierung vorzunehmen, und festzustellen, dass im Falle von Höhergruppierungen die bisherige Leistungszulage für den Zeitraum von sechs Monaten bis zur neuen Leistungsbeurteilung gemäß der Betriebsvereinbarung vom 09.01.2007 abzurechnen ist, nicht stattgegeben und demzufolge die entsprechenden Anträge vollumfänglich zurückgewiesen.

Es hat zur Begründung ausgeführt, die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien bestünde nur in den tariflich vorgegebenen Grenzen. § 7 Ziffer 2 ERA-TV regele, dass die Leistungsbeurteilung „spätestens” zum Ablauf des dritten Monats nach der Einstellung bzw. Übernahme zu erfolgen habe. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass die Leistungsbeurteilung auch früher erfolgen könne. Die Tarifregelung sehe somit keinen bestimmten Beurteilungszeitpunkt, sondern einen Beurteilungszeitraum vor. Die tarifliche Öffnungsklausel des § 7 Ziffer 2 Satz 2 ERA-TV knüp...

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