Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl aufgrund Zuordnungstarifvertrag. Unbegründete Einwendungen gegen die verfassungsrechtliche Wirksamkeit der Delegation staatlicher Normsetzungsbefugnis im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung. Voraussetzungen der Briefwahl von Streckenlokomotivführern. Sprachkenntnisse der Beschäftigten bei Ausübung eines qualifizierten Ausbildungsberufs in rein deutschem Umfeld
Leitsatz (amtlich)
Ein Zuordnungstarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziffer 1b BetrVG ist nicht nichtig, weil nach Inkrafttreten des TV‚s fachliche Zuständigkeiten im Wahlbetrieb verändert wurden. Eine nur kurze Anwesenheit der Arbeitnehmer im Betrieb ist keine voraussichtliche Abwesenheit i.S.d. § 24 Abs. 2 WO BetrVG. Bei Arbeitnehmern, die einen qualifizierten Ausbildungsberuf in einem rein deutschen Umfeld ausüben, bestehen trotz Migrationshintergrund keine Anhaltspunkte dafür, dass sie keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse haben und das Wahlausschreiben übersetzt werden muss (§ 2 Abs. 5 WO BetrVG).
Normenkette
BetrVG § 3 Abs. 1; WO BetrVG § 24 Abs. 2; WO BetrVG § 2 Abs. 5; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; BetrVG § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 19 Abs. 1; WahlO BetrVG § 2 Abs. 5; WahlO BetrVG § 24 Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 15.01.2013; Aktenzeichen 25 BV 353/12) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.01.2013, Az.: 25 BV 353/12 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die in der Zeit vom 24. - 26.07.2012 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig, oder in Folge Anfechtung unwirksam ist, sowie darüber, ob den im Betrieb beschäftigten Streckenlokomotivführern die Briefwahlunterlagen nach § 24 Abs.2 WO zuzusenden sind.
Die Beteiligte zu 9) ist ein Unternehmen des D.-Konzerns. Sie unterhält zahlreiche Niederlassungen in Deutschland und beschäftigt derzeit circa 18.800 Arbeitnehmer.
Gemäß dem bei der Beteiligten zu 9) anwendbaren "Tarifvertrag zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen bei der D.-C. AG (BetrVTV-D.-C. AG)" (Bl. 68 - 76 d.A.) besteht das Unternehmen der Beteiligten zu 9) aus insgesamt 12 Betrieben (C 1 bis C 12). Einer dieser Wahlbetriebe ist der Wahlbetrieb C 9, in welchem die streitgegenständliche Betriebsratswahl stattfand. Der Tarifvertrag vom 10.01.2002 zwischen der Tarifgemeinschaft der Eisenbahner Gewerkschaft (TGM), die aus den Gewerkschaften GDL, GDBA und Transnet besteht, und der heutigen Beteiligten zu 9), die damals als D.- C. AG firmierte, trat am 1.Janaur 2002 rückwirkend in Kraft.
Der Beteiligte zu 8) ist der aufgrund der streitgegenständlichen Betriebsratswahl vom Juli 2012 im Wahlbetrieb C 9 gewählte Betriebsrat.
Die antragstellenden Beteiligten zu 1) bis 7) sind wahlberechtigte Arbeitnehmer bei der Beteiligten zu 9) und als Streckenlokomotivführer bei ihr tätig. Der Beteiligte zu 7) ist vollfreigestelltes Betriebsratsmitglied.
Bezüglich der Struktur der Betriebe bei der Beteiligten zu 9) hat die Beteiligte zu 9) mit dem Gesamtbetriebsrat am 19. Juli 2001 die Gesamtbetriebsvereinbarung zum Umbau der Unternehmens- und Personalstrukturen der D. C.(Bl. 209 ff d.A.) abgeschlossen. In der aktuellen Fassung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10.02.2011 (Bl. 218 ff d.A.) ist unter § 2a, Ziff. 2.4 geregelt: "Der Betriebsleiter i.S.d. BetrVG ist der Leiter Personal, der an jedem Sitz der neuen Produktionszentren sowie für den Bereich H.n ... eingerichtet wird. Die Personalleiter sind in allen 12 Wahlbetrieben auch Betriebsleiter i.S.d. BetrVG und leitende Angestellte. Sie haben für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Produktionsstrukturen einschließlich der zugehörigen Standorte und Servicestellen, Servicestellen-Außenstellen und sonstigen dem jeweiligen Wahlbetrieb zugeordneten Einheiten die Einstellungs- und Entlassungskompetenz gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. ... Die Betriebs- und Personalleiter sind Arbeitgeber i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes und Verhandlungspartner des jeweiligen (örtlichen) Betriebsrats".
Die Verteilung der Mitarbeiter auf die einzelnen Arbeitsorte im Wahlbetrieb C 9 stellt sich wie folgt dar:
- Augsburg: 62 Mitarbeiter,
- Buchlohe: 11 Mitarbeiter,
- Burghausen: 40 Mitarbeiter,
- Dingolfing: 14 Mitarbeiter,
- Freilassung: 56 Mitarbeiter,
- Gablingen: 2 Mitarbeiter,
- Ingolstadt: 187 Mitarbeiter,
- Ingolstadt Nord: 37 Mitarbeiter,
- Kiefersfelden: 19 Mitarbeiter,
- Landshut: 22 Mitarbeiter,
- Landshut (Bay) Hbf: 19 Mitarbeiter,
- Mühldorf: 97 Mitarbeiter,
- A-Stadt: 140 Mitarbeiter plus 92 Azubis,
- A-Stadt Nord: 365 Mitarbeiter,
- A-Stadt Ost Pbf: 5 Mitarbeiter,
- A-Stadt-Riem: 28 Mitarbeiter,
- A-Stadt-Süd: 21 Mitarbeiter;
- Neustadt a.d. Donau: 5 Mitarbeiter,
- Passau: 72 Mitarbeiter,
- Plattling: 29 Mitarbeiter,
- Regensburg: 133 Mitarbeiter,
- Rosenheim: 11 Mitarbeiter,
- Saal (Donau): 3 Mitarbeiter,
- Straubing: 4 Mitarbeiter,
- Trostberg: 1 Mitar...