Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Differenzierungsklausel zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern in Transfer- und Sozialtarifvertrag. Unbegründete Zahlungsklage eines nichtorganisierten Arbeitnehmers auf erhöhte Entgelt- und Abfindungszahlungen
Leitsatz (amtlich)
1. Weist ein Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag, der nach seinem Geltungsbereich nur auf Arbeitnehmer zur Anwendung kommt, die zum Zeitpunkt dessen Abschlusses bereits seit zwölf Kalendertagen Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sind, im Vergleich zu einem (allgemeinen) Transfer- und Sozialtarifvertrag höhere Ansprüche auf Abfindung und auf BeE-Entgelt zu, so haben Arbeitnehmer, die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, keine Ansprüche auf diese erhöhte Vergütung/Abfindung.
2. Die tarifvertragliche Regelung stellt sich als zulässige "einfache Differenzierungsklausel" dar, weil keine rechtlichen Schranken dafür aufgestellt werden, dass der Arbeitgeber auf individualvertraglicher Ebene die tariflich vorgesehene Ungleichbehandlung beseitigt. Durch den gewählten Stichtag wird kein gegen die negative Koalitionsfreiheit verstoßender Druck auf Außenseiter ausgeübt, der Gewerkschaft beizutreten.
3. Nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fallende Arbeitnehmer können auch im Falle der Unwirksamkeit dieser einfachen Differenzierungsklausel keine "Anpassung nach oben" verlangen.
4. Die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer haben auch keinen Anspruch auf die begehrte Differenzvergütung/-abfindung aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen arbeitsrechtlichen oder des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes des § 75 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1-2, § 4 Abs. 1, 3; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; BetrVG § 112 Abs. 1 Sätze 2-3, § 77 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 07.01.2014; Aktenzeichen 16 Ca 3856/13) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 07.01.2014 - Az. 16 Ca 3856/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob der Kläger Ansprüche im Zusammenhang mit einem von der Beklagten zu 2) abgeschlossenen Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag hat.
Der Kläger war bei der Beklagten zu 2) zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 0,- € beschäftigt. Die Beklagte zu 1) ist eine im Rahmen von Personalabbaumaßnahmen gebildete Transfergesellschaft.
Im Zuge einer Restrukturierung bei der Beklagten zu 2) war eine Schließung des Betriebes S-Straße in B-Stadt geplant. Zwischen der Beklagten zu 2) und dem bei ihr für den Betrieb S-Straße bestehenden Betriebsrat wurde am 04.04.2012 ein Interessenausgleich abgeschlossen. Dieser Interessenausgleich sieht zum einen vor, dass der Betrieb in der S-Straße B-Stadt geschlossen wird und am Standort B-Stadt vier neu gebildete Unternehmen tätig werden, denen in Namenslisten aufgeführte Arbeitnehmer zugeordnet werden. Zum anderen ist vorgesehen, dass den in einer weiteren Liste genannten Beschäftigten zum 01.05.2012 der Abschluss eines Altersteilzeitvertrages bzw. der Übertritt in eine Transfergesellschaft nach Maßgabe der im Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 (im Folgenden: Transfer- und Sozial-TV) genannten Konditionen angeboten wird.
Unter § 3 Nr. 5 des Interessenausgleichs ("Sozialplan") ist folgende Regelung enthalten:
"Der Betriebsrat und das Unternehmen stimmen dahingehend überein, dass ein gesonderter Sozialplan nicht aufgestellt wird, weil in dem als
- Anlage 7
bezeichneten Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Regelungen zur Milderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen enthalten sind, die beide Betriebsparteien als Ausgleichsmaßnahmen i. S. d. § 112 BetrVG anerkennen und die sie für alle betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen. Zur Klarstellung: Mitarbeiter, die dem in Ziffer 2 genannten Betriebsübergang auf die aufnehmenden Gesellschaften widersprechen, erhalten kein Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft und auch keine Abfindung. Mitarbeiter, deren Namen in Anlage 6 genannt sind und die das Angebot zum Wechsel in die Transfergesellschaft nicht annehmen, erhalten ebenfalls keine Abfindung."
Unter § 3 Nr. 8 ("Verfahren nach § 17 KSchG") heißt es:
"Damit ist das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen. Der Betriebsrat gibt über diesen Interessenausgleich keine Stellungnahme nach § 17 Abs. 2 KSchG ab und wird dies gegenüber der Agentur für Arbeit auf Nachfrage bestätigen."
Der im Interessenausgleich genannte Transfer- und Sozial-TV wurde ebenfalls am 04.04.2012 zwischen der Beklagten zu 2) und der IG Metall abgeschlossen. In der Präambel ist zum Zweck dieses Tarifvertrages Folgendes enthalten:
"(1) Infolge der Restrukturierungsmaßnahmen, die im Interessenausgleich vom 04.04.2012 beschrieben...