Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertragliche Gleichstellungsabrede. Verdrängung. Spezialitätsgrundsatz. Laufzeitbeschränkung
Leitsatz (amtlich)
1. Konkurrieren die Rechtsnormen eines Haustarifvertrages mit denen eines Verbandstarifvertrages, abgeschlossen jeweils mit derselben Gewerkschaft, so verdrängt der Haustarifvertrag den Verbandstarifvertrag.
2. Der Vorrang des Haustarifvertrages vor dem Verbandstarifvertrag beschränkt sich auf seine Laufzeit. Er wirkt nicht gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach, sondern es gilt nach Ablauf der Laufzeit nun der Verbandstarifvertrag.
3. Enthält der Arbeitsvertrag eines organisierten Arbeitnehmers eine Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag, an den Arbeitnehmer und Arbeitgeber kraft ihrer Organisationszugehörigkeit gebunden sind, so hat die Bezugnahme nur den Sinn, die Gleichstellung des Arbeitnehmers ungeachtet der Organisationszugehörigkeit zu sichern, nicht aber, dem organisierten Arbeitnehmer ungeachtet des Wechsels des Tarifvertrages den Inhalt des früher geltenden Tarifvertrages zu sichern.
Normenkette
TVG §§ 3-5
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 15.09.2005; Aktenzeichen 20 Ca 1296/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 15.9.2005 – 20 Ca 1296/05 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, eine restliche Vergütung für die Monate Mai und Juni 2004 nachzuzahlen.
Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1 seit 16.11.1998 als Busfahrer beschäftigt. Am 1.7.2004 ging das Arbeitsverhältnis infolge Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 2 über. Der Kläger und die Beklagte zu 1 sind tarifgebunden; der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die Beklagte zu 1 ist Mitglied des Landesverbandes der Bayerischen Omnibusunternehmer e.V.
In § 10 des schriftlichen Arbeitsvertrages ist geregelt:
Maßgebend für die Festlegung der Stundenlohnsätze ist der jeweils gültige Haustarifvertrag, derzeit Nr. 22 für die Omnisbusfahrer/innen im Linienverkehr der K. in München und Ingolstadt.
Die Beklagte zu 1 hat in der Vergangenheit regelmäßig Haus-Lohntarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di (früher ÖTV)abgeschlossen. Der letzte dieser Haustarifverträge, der Lohntarifvertrag Nr: 25 für die Omnibusfahrer/innen im Linienverkehr bei der K. (künftig Haus-Lohntarifvertrag Nr. 25) wurde von der Beklagten zu 1 zum 31.12.2003 gekündigt. Bei der Kündigung wies die Beklagte zu 1 darauf hin, dass der Abschluss eines neuen Haus-Tarifvertrages nicht beabsichtigt sei, sondern die Vergütung sich künftig nach dem demnächst abzuschließenden Verbands-Tarifvertrag richten solle.
Der Landesverband der Bayerischen Omnibusunternehmer e.V. hat am 21.1.2004 mit der Gewerkschaft ver.di den Lohntarifvertrag Nr. 23 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Omnibusgewerbes in Bayern (künftig Verbands-Lohntarifvertrag Nr.23) abgeschlossen. Seit Mai 2004 vergütete die Beklagte zu 1 den Kläger nach dem Verbands-Lohntarifvertrag Nr. 23. Die sich hieraus ergebende Differenz zur Vergütung nach dem Haus-Lohntarifvertrag Nr. 25 für Mai und Juni ist Gegenstand der Klage.
Der Kläger macht geltend, er habe einen vertraglichen Anspruch auf die Vergütung nach dem Haus-Lohntarifvertrag Nr. 25, da der Arbeitsvertrag ausdrücklich auf den Haus-Lohntarifvertrag verweise. Diese konstitutive vertragliche Regelung sei günstiger als die tarifliche Verbands-Regelung, so dass sie dem Verbands-Lohntarifvertrag Nr. 23 vorgehe. Im Übrigen könne nicht der allgemeinere Verbands-Tarifvertrag den speziellen Haus-Tarifvertrag verdrängen.
Der Kläger beantragte im ersten Rechtszug:
Die Beklagten zu 1 und 2 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger EUR 653,16 brutto sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 426,02 seit 1.6.2004 sowie aus EUR 227,11 seit 1.7.2004 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragten dagegen
die Klageabweisung
und trugen vor, der Arbeitsvertrag enthalte lediglich eine Gleichstellungsabrede. Hierdurch solle der Kläger nur so gestellt werden wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer. Für tarifgebundene Arbeitnehmer bestünden aber infolge des Endes der Nachwirkung des Lohn-Tarifvertrages Nr. 25 aus diesem keine Ansprüche mehr.
Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 15.9.2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Vergütung nach dem Haus-Lohntarifvertrag Nr. 25, da dieser durch den Verband-Lohntarifvertrag Nr. 23 ersetzt worden sei. Die Nachwirkung des Haus-Lohntarifvertrages Nr. 25 habe mit In-Kraft-Treten des am 21.1.2004 abgeschlossenen Verbands-Lohntarifvertrages Nr. 23 geendet; seit dem würden sich die tariflichen Ansprüche des Klägers aus diesem Tarifvertrag ergeben. Der Kläger habe auch keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach dem Haus-Lohntarif Nr. 25, da es sich bei der Regelung in § 10 des ...