Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung zu § 3 BRTV-Bau zur Ausgleichszahlung für den Monatslohn

 

Leitsatz (amtlich)

§ 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV-Bau erlaubt dem Arbeitgeber - entgegen klägerischer Auffassung - eine Auszahlung von auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebenem Lohn zum Ausgleich für den Monatslohn, ohne dass die auszugleichende Differenz auf witterungsbedingtem Arbeitsausfall beruhen müsste, und ohne dass er in der Schlechtwetterzeit eingetreten sein müsste. Dafür sprechen Wortlaut, Zweck und systematischer Zusammenhang.

 

Normenkette

BRTV-Bau § 3 Nr. 1.43 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 28.04.2017; Aktenzeichen 33 Ca 7172/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.09.2020; Aktenzeichen 5 AZR 367/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28.04.2017 - 33 Ca 7172/16 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch um die Pflicht der Beklagten, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 41 Stunden gutzuschreiben.

Der Kläger ist seit dem 02.04.1984 bei der Beklagten als Gleisbauer in Vollzeit beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung (sowie kraft Allgemeinverbindlichkeit) u. a. der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 04.07.2002 (im Folgenden: BRTV) Anwendung.

Etwa seit 1998 wurde für das Arbeitsverhältnis der Parteien entsprechend § 3 Ziffer 1.4 BRTV ein Arbeitszeitkonto geführt.

In der Woche von Montag, den 25.04.2016, bis Freitag, den 29.04.2016, wurde der Kläger nicht zur Arbeit eingesetzt. In der Lohnabrechnung des Klägers für den Monat April 2016 (vgl. Anlage zur Klage vom 04.07.2016, Bl. 9 d. A.) ist ein "AZK-Abgang" in Höhe von 50,75 Einheiten verbucht. Hiervon entfielen 41 Stunden auf den Zeitraum 25.04. bis 30.04.2016. Entsprechend der Abrechnung erhielt der Kläger eine Zahlung auch für den streitbefangenen Zeitraum.

Unter dem 13.05.2016 wandte sich der Kläger über die zuständige Einzelgewerkschaft (IG Bau) an die Beklagte und monierte die seiner Auffassung nach rechtswidrige Auszahlung von 50,75 Stunden aus dem Arbeitszeitkonto außerhalb der Schlechtwetterzeit. Mit Schreiben vom 17.05.2016 forderte der Kläger über die IG Bau, "die im April entnommenen Stunden ... dem Arbeitszeitkonto wieder gutzuschreiben". Zudem wurde in beiden Schreiben "aufgrund des ... wiederholten nicht rechtmäßigen Umgangs mit dem Arbeitszeitkonto" die Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2017 gekündigt (Anlagen zur Klage vom 04.07.2016, Bl. 10 ff. d. A.).

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, er sei in den Vortagen des streitgegenständlichen Zeitraums, nämlich vom 18.04. bis 24.04.2016, in Würzburg für die Beklagte tätig gewesen. Am 21.04.2016 habe ihm ein Kollege vom Personaldisponenten, Herrn S., ausgerichtet, dass er nächste Woche zu Hause bleiben und sein Stundenkonto abfeiern solle, weil keine Arbeit da sei. Er, der Kläger, habe am 22.04.2016 telefonisch gegenüber Herrn S. seine Arbeitskraft für die Kalenderwoche 17 des Jahres 2016 (25.04. bis 30.04.2016) angeboten. Herr S. habe ihm zu verstehen gegeben, dass er ihn nicht beschäftigen könne, weil er keine Arbeit für diese Woche für den Kläger habe.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte schulde ihm für den fraglichen Zeitraum unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugslohns € 787,61 (41 Std. x 19,21 € brutto); zudem seien die 50,75 Stunden im Arbeitszeitkonto wieder gutzuschreiben. Der Abbau von Arbeitszeitguthaben außerhalb der Schlechtwetterzeit bedürfe im Bereich des Bauhauptgewerbes einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, an der es hier fehle. Für Auftragsmangel oder fehlende Anschlussaufträge sehe der BRTV keine Möglichkeit des Abbaus des Arbeitszeitkontos vor. Der Abbau des Arbeitszeitkontos im April 2016 sei mithin unberechtigterweise erfolgt.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 787,61 € brutto (Annahmeverzugslohnanspruch 25.04. bis 30.04.2016) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.05.2016 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 01.04.2016 bis 30.04.2016 50,75 Stunden gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt:

Klageabweisung

sowie widerklagend:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 13.05.2016 hinaus unter Führung eines Arbeitszeitkontos nach Maßgabe von § 3 Ziff. 1.4 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV) besteht.

Der Kläger hat weiter beantragt:

Abweisung der Widerklage.

Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht vorgebracht, der Kläger habe in der Zeit vom 20.04. bis zum 28.04.2016 eigentlich auf einer Baustelle in Ungarn eingesetzt werden sollen. Dies habe der Kläger abgelehnt, ...

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