Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebssitz, Auslösungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bestimmung des für den Auslösungsanspruch nach § 7 Ziff. 4 BRTV – Bau maßgeblichen Betriebes im Sinne des § 7 Ziff. 2.2 BRTV – Bau, kommt es auf die organisatorische Struktur zum Zeitpunkt der Einstellung an. Spätere Verlegungen des Betriebssitzes haben hierauf nur Einfluss, wenn die Arbeitsvertragsparteien den Ort für die Bestimmung des Auslösungsanspruches einvernehmlich neu regeln.

 

Normenkette

BRTV-Bau § 7

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 16.12.2009; Aktenzeichen 4b Ca 12629/08 F)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.02.2012; Aktenzeichen 9 AZR 461/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.12.2009, Az.: 4 b Ca 12629/08 F, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.792,– brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.01.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Verlegung des Sitzes der Beklagten auf den tariflichen Auslösungsanspruch ausgewirkt hat.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1974 als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV – Bau) Anwendung.

§ 7 dieses Tarifvertrages lautet (soweit hier relevant):

a) § 7 Fahrtkostenabgeltung, Verpflegungszuschuss und Auslösung

1. Allgemeines

Der Arbeitnehmer kann auf allen Bau- oder sonstigen Arbeitsstellen des Betriebes eingesetzt werden, auch wenn er diese von seiner Wohnung aus nicht an jedem Tag erreichen kann

2. Begriffsbestimmung

2.1 Entfernungen

Entfernungen sind nach Maßgabe des kürzesten mit Personenkraftwagen befahrbaren öffentlichen Weges zwischen der Arbeitsstelle und der Wohnung (Unterkunft) des Arbeitnehmers zu bestimmen.

2.2 Betrieb

Als Betrieb gilt die Hauptverwaltung, die Niederlassung, die Filiale, die Zweigstelle oder die sonstige ständige Vertretung des Arbeitgebers, in welcher der Arbeitnehmer eingestellt wird. Wird der Arbeitnehmer auf einer Arbeitsstelle eingestellt, so gilt die nächstgelegene Vertretung des Arbeitgebers als Betrieb.

3. Arbeitsstellen mit täglicher Heimfahrt

(…)

4. Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt

Arbeitet der Arbeitnehmer auf einer mindestens 50 km vom Betrieb entfernten Arbeitsstelle und beträgt der normale Zeitaufwand für seinen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle mehr als 1 ¼ Stunden, so hat er nach folgender Maßgabe Anspruch auf eine Auslösung.

Die Auslösung ist Ersatz für den Mehraufwand für Verpflegung und Übernachtung im Sinne der steuerlichen Vorschriften.

4.1 Auslösung

Die Auslösung beträgt für jeden Kalendertag EUR 34,50.

(…)

Die Beklagte hatte bis 29.02.2008 ihren Sitz in A-Stadt. Zum 01.03.2008 verlegte sie ihren Betriebssitz nach E.. Eine weitere Niederlassung hatte und hat die Beklagte nicht.

Im April 2008 wurde der Kläger auf einer Baustelle in F. eingesetzt und von Mai bis Dezember 2008 auf einer Baustelle in G.. Die Entfernung zwischen diesen Baustellen und dem Betriebssitz in E. beträgt rund 40 km, die zum früheren Betriebssitz in A-Stadt hätte weit über 50 km betragen. Für 128 Einsatztage in F. und G. zahlte die Beklagte dem Kläger keine Auslösung nach § 7 Ziff. 4.1 BRTV – Bau i. H. v. arbeitstäglich EUR 34,50, sondern gewährte lediglich eine „freiwillige Auslöse” i. H. v. EUR 20,50 pro Arbeitstag. Der Kläger fordert die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen der tariflichen Auslösung und der von der Beklagten bezahlten Auslösung für 128 Tage. Er habe einen Anspruch nach § 7 Ziff. 4.1 BRTV – Bau, weil bei Abschluss seines Arbeitsvertrages der Betriebssitz unstreitig in A-Stadt gewesen sei und es nach § 7 Ziff. 2.2 BRTV – Bau hierauf ankomme. Die Verlegung des Betriebssitzes ändere hieran nichts.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, für den Auslösungsanspruch komme es ausschließlich auf den jeweils aktuellen Betriebssitz an. Dieser habe sich für den streitgegenständlichen Zeitraum in E. und damit weniger als 50 km von der jeweiligen Einsatzbaustelle entfernt befunden. Die vom Kläger herangezogene BAG-Entscheidung vom 11.05.1999 sei hier nicht anwendbar, weil es im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt dort um einen Betrieb mit mehreren Niederlassungen gegangen sei und zu entscheiden war, welcher der maßgebliche Betrieb gewesen sei. Im Unterschied hierzu habe sie jedoch nur einen einzigen Betriebssitz, der aufgrund freier Unternehmerentscheidung nach E. verlegt worden sei. Im Übrigen habe der Kläger mit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses einer einvernehmlichen Verlegung des Mittelpunktes seines Arbeitsverhältnisses konkludent zugestimmt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.12.2009 die Klage abgewiesen und ausgeführt, maßgeblicher Betriebssitz i.S.v. § 7 Ziff. 4 BRTV – Bau sei der zum Zeitpunkt der Arbeitsleistung existierende Betriebssitz. § 7 Ziff. 2.2 BRTV – Bau sei nicht so zu verste...

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