Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen Provisionsminderung
Leitsatz (amtlich)
Stellt der Arbeitgeber den Außendienstmitarbeiter – ohne entsprechende vertragliche Regelung – zur Unterstützung der Kundenakquise Adressmaterial ernsthafter Interessenten zur Verfügung, das durch eigene Mitarbeiter des Arbeitgebers beschafft wurde, besteht bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit keine Verpflichtung an der überwiegenden Aufrechterhaltung dieses Vorgehens.
1. Auch eine langjährige Praktizierung begründet im Bereich zusätzlich vereinbarter erfolgsabhängiger Vergütung keine entsprechende betriebliche Übung.
2. Solange das Gesamteinkommen aus fixer Grundvergütung in Höhe des Tarifentgelts und der zusätzlichen erfolgsabhängigen Vergütung die tarifliche Mindestvergütung nicht unterschreitet, kann kein Fall der Sittenwidrigkeit angenommen werden.
Normenkette
HGB §§ 65, 85 Abs. 1, 3, § 87a ff; GewO § 106 S. 1; BGB §§ 138, 280
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 24.11.2009; Aktenzeichen 25 Ca 17218/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.11.2009 – 25 Ca 17218/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Zahlungsansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche dafür schuldet, dass sie ihm zur Erlangung erfolgsabhängiger Vergütung nicht mehr wie im früheren Umfange Kontaktadressen potenzieller Versicherungskunden zur Verfügung stellt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Versicherungsbranche. Ihr Vertrieb ist in 15 Regionaldirektionen aufgegliedert. Der Kläger ist in der Regionaldirektion Mü. tätig. Innerhalb der Organisation wird zwischen dem sog. Zielgruppengeschäft und der Bestandsorganisation unterschieden.
Der Zielgruppenvertrieb gliedert sich in die Bereiche DA., DE. und den Bd. auf. Der Kläger ist dem Bereich des Zielgruppenvertriebs des Bd. zugeordnet.
Die Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und dem Bd. erfolgt über Mitarbeiter der Beklagten, die sowohl als selbstständige Unternehmer als auch als Angestellte der Beklagten tätig sind, die nach dem internen Sprachgebrauch als Beauftragte (auch Vorwerber) bezeichnet werden. Die Beauftragten haben die Aufgabe, aus ihnen zur Verfügung gestellten allgemein zugänglichem Adressmaterial von Umsatzsteuerpflichtigen Mitglieder für den Bd. zu werben und bei dem besuchten Kunden darüber hinaus auch einen Beratungstermin für ein umfassendes Beratungsgespräch durch einen nach interner Sprachregelung bezeichneten Berater – wie auch der Kläger – (auch bezeichnet als Vermittler) zu vereinbaren.
Die Beratungstermine werden in einen bei der Beklagten bestehenden Terminpool gegeben und auf die sog. Berater verteilt.
Diese Berater, die teilweise angestellte Mitarbeiter der Beklagten als auch selbstständige Handelsvertreter sind, versuchen, in einem oder mehreren Beratungsterminen die Produkte der Beklagten zu verkaufen. Kommt es zu einem Geschäftsabschluss, wird die Provision im Verhältnis 30 % zu 70 % zwischen Beauftragten und Berater aufgeteilt.
Der am 20.05.1949 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01.09.1977 auf der Basis einer Vielzahl sich ändernder und ergänzender sowie neu formulierter Arbeitsverträge – auf das als Anlage K 22 vorgelegte Anlagenkonvolut (vgl. Bl. 526/625 d. A.) wird Bezug genommen – beschäftigt. Zunächst war er als Bausparspezialist im Werbeaußendienst (vgl. Arbeitsvertrag vom 13.12.1985, Bl. 586 d. A.), sodann als Beauftragter für das Versicherungsgeschäft bei der D. B. (vgl. Vertrag vom 18.04.1990, Bl. 573 d. A.) beschäftigt. Seit 1993 ist er im Werbeaußendienst im Zugangsweg Bd. eingesetzt.
Nach einer Organisationsänderung und einem hierauf abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 19.08.2002 (vgl. Bl. 550 d. A.), der u. a. die Vereinbarung enthält, dass das Einsatzgebiet des Klägers auch weiterhin das ehemalige Gebiet der Filialdirektion Mü. sein werde, er nicht verpflichtet sei, Termine außerhalb des ehemaligen Geschäftsgebiets wahrzunehmen und von ihm bisher vermittelte und derzeit betreute Verträge auch wie bisher zur Bearbeitung und weiteren Betreuung zugeschlüsselt würden, wobei ein Bezirks- oder Kundenschutz dadurch nicht entstehe, beinhaltet der zuletzt vorgelegte Arbeitsvertrag vom 30.01.2007 (vgl. Bl. 526/527 d. A.) im Wesentlichen eine Bezugnahme der aktualisierten Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) mit Druckdatum 01.07 (vgl. Bl. 528/535 d. A.), welche u. a. folgende Regelungen enthalten:
„I. Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
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2. Werbetätigkeit
Ihre Werbetätigkeit erstreckt sich auf die Vermittlung von bestandsfähigen Versicherungs- und Bausparanträgen und andere Finanzdienstleistungen für die HM. und die mit ihr vertraglich verbundenen Gesellschaften (im Nachfolgenden zusammenfassend Produkte/Produktgeber/HM. genannt). Fondsprodukte dürfen Sie nur nach einer entsprechenden Schulung und unter Beachtung der Vertriebsrichtl...