Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Gegenstandsloserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht keine materiellrechtliche oder prozessuale Pflicht oder Obliegenheit des Arbeitnehmers zur Annahme des Fortsetzungsangebots, das in einer Erklärung des Arbeitgebers enthalten ist, die Kündigung sei gegenstandslos, aus ihr würden keinerlei Rechtsfolgen abgeleitet. Auf die Verletzung einer Pflicht zur Erklärung über ein solches Fortsetzungsangebot kann somit eine erneute Kündigung nicht gestützt werden.

2. Der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes stellt für sich genommen keinen Grund für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG dar.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG §§ 1, 9

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 18.09.2008; Aktenzeichen 23 Ca 6803/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.09.2008 – 23 Ca 6803/06 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert und insgesamt neu gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 25.02.2003 nicht aufgelöst ist.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom[1] 10.01.2003 und 13.02.2003 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  4. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
  5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/7 und die Beklagte 6/7 zu tragen.
  6. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 25.02.2003, einen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Weiterbeschäftigung sowie um den Anspruch auf Entfernung zweier Abmahnung aus der Personalakte.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war bei der Beklagten, die damals unter Ag. GmbH firmierte und zum Al.-Konzern gehörte, seit 01.04.2000 gegen ein Jahresgehalt in Höhe von zuletzt ca. 0,– EUR brutto als Leiter Rechnungswesen beschäftigt, lt. Ziff. 1 des Arbeitsvertrages vom 29.11.2000 in einem „außertariflichen Anstellungsverhältnis”.

In einer E-Mail des Klägers vom 11.04.2002 teilte dieser „in eigener Sache” mit, er freue sich, Frau S. und Frau L. begrüßen zu können, die als weitere Referentinnen im Bereich Bilanzen und Finanzen/Debitoren eine wesentliche Entlastung für das Rechnungswesen bringen werde. Für ihn – den Kläger – werde nach fast 2 ½ Jahren Ag. Mitte des Jahres der Zeitpunkt seines Austritts aus der Ag. kommen, um plangemäß in die Al.-Hauptverwaltung zurückzukehren. Ab 01.05. werde Herr K. das Controlling führen; als Nachfolger im Bereich Rechnungswesen/Finanzen sei Herr E. bestellt worden, der zum 01.05. in die Ag. eintreten werde und sich, solange der Kläger noch da sei, in sein zukünftiges Aufgabenfeld einarbeite. Er – der Kläger – danke den lieben Kolleginnen und Kollegen bereits heute für die gute Zusammenarbeit.

Mit Schreiben vom 28.11.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2002. Der Kläger erhob hiergegen am 19.12.2002 Kündigungsschutzklage und machte für den Fall des Obsiegens Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend. Das Arbeitsgericht (München) bestimmte Termin zur Güteverhandlung auf 11.03.2003.

Seit Anfang August 2002 war der Kläger freigestellt. Er begründete zum 01.01.2003 ein anderweitiges Arbeitsverhältnis, das bis zum 30.06.2008 bestand.

Mit Schreiben vom 10.02.2003 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, weil er sich entgegen der Aufforderung des Anwalts der Beklagten nicht dazu geäußert habe, ob und ggf. wann – unter Einhaltung der Probezeitkündigungsfrist bei seinem neuen Arbeitgeber – er das Anstellungsverhältnis bei Ag. wieder aufnehmen wolle. Die Beklagte forderte den Kläger in diesem Schreiben dann auf, spätestens am Mittwoch, den 12.02.2003, 9.00 Uhr bei Herrn R. zur Arbeit zu erscheinen. Im Wiederholungsfalle habe er mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung seines Anstellungsvertrages zu rechnen.

Mit Schreiben vom 13.02.2003 erteilte die Beklagte dem Kläger erneut eine Abmahnung, weil er der Aufforderung, spätestens am Mittwoch, den 12.02.2003, 9.00 Uhr zur Arbeit zu erscheinen, nicht gefolgt sei. Die unentschuldigte Missachtung dieser Aufforderung stelle einen schwerwiegenden Verstoß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar. Die Beklagte mahne ihn deshalb ab und fordere ihn auf, spätestens am Montag, den 17.02.2003, 9.00 Uhr bei Herrn R. zur Arbeit zu erscheinen. Sollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen, habe er mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung seines Anstellungsvertrages zu rechnen.

Den beiden Abmahnungen ging ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 22.01.2003 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers voraus, in dem mitgeteilt wurde, die Kündigung zum 28.11.2002 werde verbindlich für gegenstandslos erklärt und es würden keinerlei Rechtsfolgen daraus abgeleitet; der Kläger werde aufgefordert, am Montag, den 27.01.2003 um 9.00 Uhr persönlich bei Herrn R. zur ...

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