Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung der Mitarbeitervertretung vor Kündigungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anhörung der Mitarbeitervertretung zu einer ordentlichen Kündigung nach der Probezeit ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung.
2. Für die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung sind die Grundsätze entsprechend anzuwenden, die das BAG zur Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG entwickelt hat.
Normenkette
Rahmenverordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung § 20
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 11.09.1985; Aktenzeichen 10 Ca 795/85 I) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11.9.1985 – 10 Ca 795/85 I wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung durch die Beklagte.
Der Kläger trat am 1.11.1982 als Assistenzarzt in die Dienste der Bekalgten und ist seit dem 1.10.1983 in deren Kinderklinik zur weiteren Ausbildung als Facharzt beschäftigt. Die Beklagte hat ihm mit am 29.3.1985 zugegangenem Schreiben vom 27.3.1985 ordentlich zum 30.6.1985 gekündigt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, und hat beantragt festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und vorgetragen: Die Kündigung sei wegen der schlechten ärztlichen Leistungen des Klägers sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe während seiner Weiterbildung in ihrer Kinderklinik kaum etwas gelernt und sei nicht fähig, die wichtigsten Symptome der Patienten zu erkennen. Er wisse nicht, wann er die Hilfe der Oberärzte oder des Chefarztes benötige. In Unkenntnis der Probleme der Patienten könne er bei den Chef-Visiten nicht darstellen, was zu tun sei. Meistens hülfen ihm dann die Schwestern. Zur näheren Konkretisierung des Verhaltens des Klägers hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.6.1985 vier Fälle vorgetragen, dabei allerdings im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht und den Datenschutz nur die Anfangsbuchstaben der Namen der Patienten angegeben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe die geltend gemachten Kündigungsgründe im Verhalten und der Person des Klägers nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Bei ihrer Behauptung, der Kläger könne bei den Kindern keine Symptome erkennen, die Probleme nicht darstellen und wisse nicht, wann er die Hilfe des Chefarztes oder der Oberärzte benötige, handele es sich um Schlußfolgerungen. Hierüber sei eine Beweisaufnahme nicht möglich. Mit den behaupteten vier Vorfällen habe die Beklagte, da sie die Namen der Patienten nicht angegeben habe, ihrer Darlegungslast ebenfalls nicht genügt. Ohne die Namen könne der Kläger sich zu den Vorwürfen nicht verteidigen und das Gericht den Wahrheitsgehalt der Behauptungen nicht überprüfen.
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter und macht geltend: Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sie für die Wirksamkeit der Kündigung genügend Tatsachen vorgetragen. Bei den Gründen, die letztlich zur Kündigung wegen des Fehlverhaltens des Klägers geführt hätten, habe es sich um folgende vier Vorfälle gehandelt:
Der Kläger habe am 5.10.1984 gegen 15.40 die Vorgeschichte des schwer erkrankt eingelieferten Kindes … (geboren am 28.7.1984) aufgenommen und das Kind auf die Station 13 bringen lassen. Dort habe die Stationsschwester festgestellt, daß bei dem Kind ein stark ausgetrockneter Zustand nach Flüssigkeitsverlust vorliege und wegen seines akuten Zustandes eine dringend erforderliche Infusion vorbereitet. Kurz darauf habe der Kläger sich erkundigt, ob es etwas Besonderes gebe. Die Schwester habe ihn aufgefordert, das Kind anzusehen, da sich dessen Zustand weiter verschlechtere. Erst auf ihr Drängen habe der Kläger dem Kind eine Infusion angelegt. Die Schwester habe den Kläger mehrfach drängen müssen, Blutplasma zur Schockbekämpfung zu geben und die Blutwerte festzustellen. Auch die Krampfbereitschaft des Kindes habe nicht der Kläger, sondern die Schwester festgestellt. Nachdem sie den Kläger hiervon unterrichtet gehabt habe, habe er zwar ein EEG, nicht jedoch die ergänzend notwendige Röntgenaufnahme des Schädels angeordnet. Der Kläger habe daher die Behandlung eines schwer erkrankten Kindes erheblich verzögert und wichtige Maßnahmen sowie Erhebungen nicht selbst, sondern erst auf Veranlassung und mehrfaches Drängen der Schwester durchgeführt. Auch die schriftlichen Feststellungen des Klägers anläßlich der Aufnahme des Kindes seien widersprüchlich. Einmal habe er klares, ein anderes Mal fehlendes Bewußtsein des Kindes angegeben.
Am 13.12.1984 sei das Kind … (geboren am 14.4.1984) zur stationären Behandlung eingeliefert worden. Der Vater des Kindes habe den Kläger mehrmals nach dem Zustand seines Sohnes befragt. Da er vom Kläger nur unklare Aussagen erhalten habe, habe er sich an die zuständige ...