Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Übernahmeverpflichtung hinsichtlich des Personals bei Produktionsbetrieben. Zeitpunkt des Übergangs
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einem Produktionsbetrieb kann bereits die Verpflichtung, das gesamte Personal zu übernehmen, ein wesentliches Indiz für einen Betriebsübergang darstellen.
2. Ein gleitender Betriebsübergang, bei dem Personal und Auftragsbestände entsprechend der wachsenden Produktionskapazität des Erwerbers übergehen sollen, ist erst dann „perfekt”, wenn sämtliche Aufträge übergegangen sind und der Veräußerer die Arbeitnehmer aus der bislang ihm gegenüber noch bestehenden Verpflichtung zur Arbeitsleistung entlassen hat.
Normenkette
BGB § 613a; EWGRL 187/77
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 05.03.1996; Aktenzeichen 36 Ca 9203/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 5.3.1996 – Az.: 30 Ca 09203/94 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 25.2.1994 nicht aufgelöst worden ist.
II. Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung dieser Berufung im übrigen festgestellt, daß zwischen den Parteien seit dem 3.8.1994 kein Arbeitsverhältnis mehr besteht.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten ausgesprochene, mit Stillegung ihrer Druckerei und der dazugehörigen Versandabteilung begründete ordentliche Kündigung. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien vor allem darüber, ob statt einer (Teil)-Betriebsstillegung ein (Teil)-Betriebsübergang vorliegt, wenn ja, wann dieser Betriebsübergang stattgefunden hat und ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den „Erwerber” widersprochen hat.
Die in der Rechtsform einer GmbH & Co KG organisierte Beklagte verlegt die … Sie betrieb bis zum 3.8.1994 auch eine eigene Druckerei (mit dazugehörigem Versand), in der mit sechs Rotationsmaschinen im Hochdruckverfahren außer der eigenen Tageszeitung auch noch einige regionale Tageszeitungen und Wochen- bzw. Monatszeitungen gedruckt wurden. Verleger der weiteren von der Beklagten teilweise gedruckten Tageszeitungen sind der … und die … Die Gesellschafter der jeweiligen Komplementär-Gesellschaften und der jeweils zugehörigen Kommanditisten-Gesellschaften von … und der Beklagten (sind identisch. Die Firma … … (welcher nach dem Tod ihrer Schwiegermutter, … im Jahr … deren Beteiligungen an der Beklagten, … und übertragen wurden), sind mit insgesamt 51,5 % (26,5 % + 25 %) an der jeweiligen Komplementär-GmbH von … und der Beklagten und mit zusammengerechnet 51,393 % (26,403 % + 24,99 %) an deren Kommanditisten-Gesellschaften beteiligt. Weitere – in sämtlichen genannten Gesellschaften identische – Gesellschafter sind mit unterschiedlichen Minderheitsbeteiligungen Herr … …, die Buchdruckerei und Verlag … und die …
Im Verfahren 2 TaBV 93/92 ist mit Beschluß vom 25.10.1996 vom Landesarbeitsgericht München rechtskräftig entschieden worden, daß zwischen diesen drei Unternehmen, die in vielen Bereichen kooperieren, jedenfalls kein Unterordnungskonzern i. S. von § 18 Abs. 1 AktG besteht, für den nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann.
Im Jahr 1990 plante die Beklagte, ihre veralteten Hochdruckmaschinen durch moderne Offsetdruckmaschinen zu ersetzen. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Installation der neuen Maschinen im eigenen Gebäude im Pressehaus in der … in … auf erhebliche technische Schwierigkeiten stoßen würde, gab die Beklagte diesen Plan wieder auf. Die „Schwestergesellschaft” hatte zwischenzeitlich von der Stadt München ein ca. 10 km vom Betrieb der Beklagten entfernt liegendes Grundstück erworben, auf welchem sie in der Folgezeit mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 100 Millionen DM eine Offsetdruckerei errichtete. Für den Betrieb dieser Druckerei wurde am 19.6.1991 eine Betreibergesellschaft, die Druckhaus … (im folgenden: …) gegründet mit Herrn … als Geschäftsführer. Die Komplementäre der … sind (überwiegend) wiederum mit unterschiedlichen Beteiligungen auch an der Beklagten, der und der beteiligt.
Am 8.7.1991 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Beklagten und der bezüglich deren Wortlauts im einzelnen auf die Akten (Blatt 315 bis 317) verwiesen wird. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich … i.a., in ihrem Betrieb vorrangig Druckaufträge auszuführen, die bislang bei der Beklagten getätigt wurden, und nach einer allein der Beklagten obliegenden zeitlichen Auswahl sukzessive allen bei der Beklagten unbefristet und ungekündigt beschäftigten Druckern und Helfern, deren Arbeitsplatz durch die Abgabe der Aufträge entfallen würde, einen vergleichbaren Arbeitsplatz anzubieten. Beide Parteien dieses Vertrags sicherten sich gegenseitig zu, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um einen reibungslosen Übergang der Druckaufträge zu gewährleisten.
Ab Anfang 1993 kam es zu Übernahmegesprächen...