Entscheidungsstichwort (Thema)
Widersprüchliches Verhalten. Verspäteter Widerspruch gegen Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
Die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 613a Abs. 6 BGB kann aus dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens gegen § 242 BGB verstoßen. Dies ist anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber zunächst nicht widerspricht und dann Monate später mit dem – mittlerweile insolventen – Betriebserwerber einen Auflösungsvertrag und mit einer Auffang- und Qualifizierungsgesellschaft einen befristeten Arbeitsvertrag abschließt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits davon ausgeht, dass die Information über den Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 5 BGB unzureichend war und sein Widerspruchsrecht noch besteht und obwohl er weiß, dass ein Anspruch auf Beschäftigung in der Auffang- und Qualifizierungsgesellschaft mit zusätzlichen Lohnleistungen nur besteht, wenn dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen wurde. Widerspricht nun der Arbeitnehmer nachträglich am Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Auffang- und Qualifizierungsgesellschaft dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber, so verhält er sich gegen Treu und Glauben widersprüchlich.
Normenkette
BGB §§ 613a, 242
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 14.02.2007; Aktenzeichen 22 Ca 16325/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.02.2007 22 Ca 16325/06 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein seit dem 01.01.1986 bei der Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis auf Grund seines schriftlichen Widerspruches vom 27.07.2006 nicht mit Wirkung zum 01.11.2004 im Wege des Betriebsüberganges auf die Firma A. GmbH übergegangen ist, sondern bei der Beklagten fortbesteht.
Der Kläger, geboren am 30.03.1956, war gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 12.11.1985 (Bl. 6 u. 7 d. A.) als Industriekaufmann bei der Beklagten in V. gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt ca. EUR 4.000,– brutto beschäftigt. Er war zuletzt Leiter der Abteilung „Beschaffung und Logistik”.
Die Beklagte hat den Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die Firma A. GmbH übertragen.
Vor der Übertragung hat die Beklagte die Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich CI zugeordnet waren, darunter auch der Kläger, über die geplante Übertragung des Geschäftsbereiches CI durch Schreiben vom 22.10.2004 (Fotokopie Bl. 8 – 11 d. A.) informiert. Bezüglich der Information im Einzelnen wird auf das Informationsschreiben vom 22.10.2004 (Bl. 8 – 11 d. A.) verwiesen.
Unter Ziffer 2. dieses Informationsschreibens ist im zweiten Absatz ausgeführt:
A. GmbH mit Sitz in L. umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der A. AG, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. A. GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma A. GmbH zunächst nicht widersprochen. Er hat ab 01.11.2004 für die Firma A. GmbH gearbeitet.
Am 20.05.2005 hat die Firma A. GmbH Insolvenzantrag gestellt; am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser Firma eröffnet.
Mit Schreiben vom 04.07.2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, er halte deren Information zum Betriebsübergang für unzureichend, erwarte weitere Aufklärung und behalte sich nach Eintreffen der ergänzenden Information vor, eine Entscheidung über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu treffen. Die Beklagte erteilte dem Kläger jedoch keine weiteren Informationen.
Am 27.07.2005 wurde bei der Firma A. GmbH ein Interessenausgleich uns Sozialplan abgeschlossen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten schließt § 11 des Interessenausgleiches Arbeitnehmer, die bereits dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen haben oder noch nach Abschluss des Interessenausgleiches widersprechen, von einer Beteiligung am Sozialplan aus. Nach dem ebenfalls unwidersprochenen Vortrag der Beklagten regelt § 1 Abs. 2 des Sozialplanes bezüglich des Geltungsbereiches, dass dieser nicht für Arbeitnehmer gilt, die einem Übergang des Arbeitsverhältnisses von der A. AG auf die Firma A. GmbH widersprochen haben.
Durch dreiseitigen Vertrag (Fotokopie Bl. 12 – 21 d. A.) hat der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Firma A. GmbH „aus den im Interessenausgleich und Sozialplan vom 27.07.2005 genannten betriebsbedingten Gründen einvernehmlich zum 01.08.2005” beendet und einen Anstellungsvertrag mit der Firma C. GmbH befristet für die Zeit vom 01.08.2005 bis zum 30.07.2006 abgeschlossen zur „Durchführung von Maßnahmen zur Beschäftigung, Qualifizierung und beruflichen Neuorientierung” des Klägers.
Der Kläger wurde von der Firma C. Gmb...