Entscheidungsstichwort (Thema)
Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch Vertragsklausel zur Gewährung einer “leistungsabhängigen„ Prämie ohne weitere Angaben zur Leistungsbestimmung. Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfrist in Altvertrag bei fehlender Herausnahme von Ansprüchen gemäß Mindestlohngesetz
Leitsatz (redaktionell)
1. Jedenfalls im Fall von Altverträgen führt die fehlende Herausnahme von Ansprüchen gemäß Mindestlohngesetz (MiLoG) nicht zu einer Intransparenz der vereinbarten Ausschlussfristen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, denn eine zur Zeit ihrer Vereinbarung transparente AGB-Klausel verliert nicht nachträglich ihre Wirksamkeit, weil spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen; vielmehr ist eine vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbarte Verfallfrist ohne weiteres dahin auszulegen, dass die Regelung Ansprüche, deren Verfall aufgrund später in Kraft tretender Regelungen nicht vereinbart werden kann, nicht erfassen soll, so dass eine Intransparenz im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gegeben ist.
2. Soll der Arbeitnehmer nach dem vorformulierten Arbeitsvertrag eine als “leistungsabhängig„ bezeichnete Prämienzahlung erhalten (“.. sowie eine leistungsabhängige Prämie in Höhe von .. “), verstößt die Vereinbarung gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Klausel keinerlei Hinweis darauf enthält, auf wessen Leistung es ankommen soll (der des Arbeitnehmers, der einer Organisationseinheit, der er angehört, oder der Leistung der Arbeitgeberin selbst im Sinne einer Tantieme) und auch nicht festgestellt werden kann, auf welche Maßgaben es für die Leistungsbemessung ankommen soll (Umsatz, Gewinn oder persönliches Engagement); wurden die für die Leistungsbemessung erheblichen Umstände auch zu keiner Zeit im Arbeitsverhältnis näher bestimmt, ist eine derartige Klausel geeignet, den Arbeitnehmer von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten.
3. Hat der Arbeitnehmer keine Möglichkeit zu erkennen, auf welche Umstände bei der Leistungsbestimmung zur vertraglich vereinbarten Prämienzahlung abzustellen ist, kann er weder Erfolgsaussichten noch Risiken einer Geltendmachung abschätzen; derartige Umstände sind geeignet, einen Arbeitnehmer von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten.
4. Die Intransparenz des Leistungsbezugs der Prämienvereinbarung führt nicht zur Unwirksamkeit der Prämienvereinbarung insgesamt sondern lediglich zur Unwirksamkeit der Leistungsabhängigkeit (Blue-Pencil-Test), soweit eine sinnvolle Vergütungsregelung erhalten bleibt.
Normenkette
MiLoG § 3; BGB § 307 Abs. 1 S. 2, § 306 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Entscheidung vom 31.05.2017; Aktenzeichen 3 Ca 213/17) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 31.05.2017, Az. 3 Ca 213/17, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger als Prämie für den Zeitraum 01.01. bis 31.03.2017 zum 31.03.2018 brutto 3.750,- € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.04.2018 zu zahlen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10/21, die Beklagte zu 11/21.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung noch über Prämienansprüche für die Jahre 2014 bis 2017 sowie Zahlung von Schadensersatz für den Entzug des Dienstwagens.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 01.06.2012 als Leiter des Bereichs Technik sowie als Leiter Anwendungstechnik beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.03.2017 aufgrund Eigenkündigung des Klägers im Dezember 2016.
Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 20.02.2012 (Anl. K 1, Bl. 15 ff. d. A.) ist in § 6 Folgendes geregelt:
"§ 6 Vergütung
1) Der Arbeitnehmer erhält ein Jahresgehalt in Höhe von 102.000,- € brutto sowie eine leistungsabhängige Prämie in Höhe von 15.000,- €. Das Grundgehalt wird in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von jeweils 8.500,- € brutto ausbezahlt. Die leistungsabhängige Prämie ist bis Ende 2013 garantiert und zahlbar bis 31.03. des jeweiligen Folgejahres. Für das Jahr 2012 erhält der Arbeitnehmer eine zeitanteilige Prämie von 8.750,- € (1.250,- € * 7).
2) Der Arbeitnehmer erhält im Hinblick auf die Vergütungshöhe in diesem Zusammenhang kein Weihnachts- und Urlaubsgeld, auch wenn dies ansonsten im Unternehmen üblich ist.
3) Das Gehalt ist fällig und zahlbar am Letzten des Monats. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf eine vom Arbeitnehmer bekannt zu gebende Konto-Verbindung."
Weiter enthält der Arbeitsvertrag in § 14 folgende Regelung:
"§ 14 Ausschlussfristen
1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen.
2) Lehnt die andere Partei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der G...