Entscheidungsstichwort (Thema)

Bonusklage eines außertariflicher Bankangestellten aufgrund arbeitsvertraglich in Bezug genommener Dienstvereinbarung. Billigkeitsentscheidung des Gerichts aufgrund Abwägung der wechselseitigen Interessen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch aufgrund einer konkludenten arbeitsvertraglichen Vereinbarung setzt gemäß §§ 133, 157 BGB voraus, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer mehrfach einen Bonus gezahlt hat und im Zusammenhang mit Äußerungen oder durch schlüssiges Handeln darin seine Zusage zu sehen ist, auch künftig solche Leistungen erbringen zu wollen. Ein Handeln der Arbeitgeberin, das der Erfüllung einer bestehenden Pflicht dient, kann nicht dahin verstanden werden, dass eine entsprechende Rechtspflicht erst begründet oder geändert werden soll.

2. Wenn die Adressaten einer Intranet-Mitteilung mit der Überschrift “Kommunikation zu Gehaltssystem, leistungsorientierter Vergütung und Mitarbeitergespräch„ zunächst über den Stand der Einführung eines neuen Vergütungssystems (insbesondere die Unmöglichkeit einer Einführung zu einem bestimmten Datum und das Bemühen um eine zügige Umsetzung) informiert werden und dann ausgeführt wird, dass bis zur Neueinführung das bestehende Vergütungssystem gültig bleibt, das ohnehin normativ gilt, fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Arbeitgeberin eine weitere Rechtsgrundlage für Bonuszahlungen für das laufende Jahr oder gar in den folgenden Jahren schaffen will.

3. Eine arbeitsvertragliche Bonusregelung mit der Verweisung auf die jeweilige Dienstvereinbarung, die ihrerseits der Arbeitgeberin ein vom betriebswirtschaftlichen Erfolg und der individuellen Leistung des Arbeitnehmers abhängiges einseitiges Leistungsbestimmungsrecht überlässt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dynamische Bezugnahmeklauseln sind im Arbeitsrecht weit verbreitet, entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses.

4. Ob die Leistungsbestimmung der Arbeitgeberin der Billigkeit entspricht, unterliegt gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB der vollen gerichtlichen Kontrolle. Dabei ist zu prüfen, ob alle tatsächlichen Umstände beachtet sowie die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten worden sind und ob vom Ermessen ein zweckentsprechender Gebrauch gemacht worden ist.

5. Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen wie der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit. Die Beachtung der Billigkeit verlangt die Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles und ist auf der Grundlage des Parteivortrags zu treffen.

6. Eine Darlegungs- und Beweislast besteht im Rahmen des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht. Jede Partei ist vielmehr im Sinne einer Obliegenheit gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen.

 

Normenkette

BGB §§ 315, 315 Abs. 1, 3 S. 2, § 611a Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 30.09.2015; Aktenzeichen 35 Ca 15904/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.09.2015 - 35 Ca 15904/13 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und in seinen Nrn 1. und 2. gefasst wie folgt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 33.816,57 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus € 660,-- seit 01.07.2011, aus € 25.973,44 seit 01.07.2012 und aus 7.183,13 seit 01.07.2013 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 63%, die Beklagte 37 %.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 63%, die Beklagte 37%.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Bonuszahlungen für die Jahre 2009, 2010, 2011 und 2012.

Der am 00.00.00 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 1. März 1976 zuletzt als außertariflicher Angestellter auf Grundlage des zuletzt gültigen Arbeitsvertrages vom 1. Januar 2000 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31. März 2012 wegen Ruhestandseintritt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Bank in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts, bei der das Bayerische Personalvertretungsgesetz (BayPVG) Anwendung findet.

Der vom Kläger unterzeichnete Arbeitsvertrag vom 1. Januar 2000 (vgl. Anlage K 2, Blatt 56 bis 62 der Akte) lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 4. Bezüge

(1) (...)

(2) Außerdem kann der Mitarbeiter als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch einen Bankbonus erhalten, dessen Höhe alljährlich auf Vorschlag des Vorstandes vom Verwaltungsrat beschlossen wird. Der Bankbonus wird jeweils im Folgejahr für das vorangegangene Geschäftsjahr gezahlt. Ferner kann der Mitarbeiter als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch einen Leistungsbon...

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