Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch gegen einen Betriebsübergang. Unterrichtung über Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Information über den bevorstehenden Betriebsübergang lückenhaft, lässt sie die Monatsfrist des § 613a BGB Abs. 6 BGB für den Widerspruch nicht anlaufen.
2. Wird ein wirtschaftlich schwacher Betriebsteil auf eine Tochtergesellschaft (GmbH & Co. KG) übertragen, gehören zu einer ordnungsgemäßen Information im Sinne von § 613a Abs. 5 BGB bei Offenlegung der gewährten Anschubfinanzierung auch konkrete Zahlen zur nur pauschal angesprochenen defizitären wirtschaftlichen Lage des übertragenen Betriebsteils.
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 16.02.2006; Aktenzeichen 14 Ca 6563/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16. Februar 2006 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 141.267,44 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 1. Juli 2004 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger schriftlich mitzuteilen, in welcher Höhe aus der bisher von diesem erworbenen unverfallbaren Anwartschaft bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze ein Anspruch auf Altersversorgung besteht.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Zahlung von Schadenersatz bzw. einer Abfindung und auf Auskunft nach § 4 a BetrAVG.
Der Kläger war bei der S. AG nach seiner Ausbildungszeit seit dem 1. Februar 1983 dort auch beschäftigt gewesen. Zum 1. Oktober 2000 hatte es einen Wechsel zur S. (= die Beklagte in diesem Rechtsstreit) gegeben (vgl. Schreiben vom 25. September 2000 – Blatt 14 bis 17 der Akte), wo der Kläger dann als Senior Commercial Manager für den Bereich S. GPM tätig war.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2004 (Blatt 18 bis 24 der Akte), zugegangen am 21. Februar 2006, teilte die Beklagte u.a. dem Kläger mit, dass sein Arbeitsverhältnis zum 1. April 2004 im Rahmen eines Betriebsüberganges auf die L. übergehen werde. Gleichzeitig informierte die Beklagte darüber, dass ihre Leitung beschlossen habe, den Bereich SOL TS (ohne SOL TSLS) auf die L. zu übertragen sowie einen Verkauf der L., ggf. auch ein Joint Venture zu planen, damit die L. eine Chance erhalte, aus der derzeit auf internationaler Ebene stattfindenden Konsolidierung der Trainings-Branche als Teil eines der Großen mit langfristigen Erfolgsaussichten hervorzugehen.
Unter Ziffer 24 (Blatt 24 der Akte) enthält das Schreiben vom 12. Februar 2004 die Aussage, der Kläger habe von dem Zeitpunkt an, wo die wirtschaftlichen Informationen (i.S. d. § 613 a Abs. 5 Ziff. 3 BGB) über den Käufer der L. bekannt gegeben werden, die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 1 Monat zu beenden. Er erhalte in diesem Fall eine Abfindung gemäß dem jeweils gültigen Sozialplan bei der S.; sollte zu diesem Zeitpunkt kein Sozialplan gelten, werde die Abfindung auf der Basis des zuletzt abgeschlossenen Sozialplans berechnet. Alles Weitere könne er dem Interessenausgleich entnehmen.
Mit Schreiben vom 31. März 2004 (Blatt 25 der Akte), der Beklagten zugegangen am 2. April 2004, hat der Kläger dem angekündigten Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die L. widersprochen.
In einem Schreiben der Beklagten vom 1. April 2004 (Blatt 26 der Akte) findet man Mitarbeitern, die dem Betriebsübergang gem. § 613 a BGB der S. SOL TS in die L. bzw. die L. GmbH widersprochen haben, kurzfristig die einvernehmliche Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen eines Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes angeboten.
Mit anwaltschaftlichem Schreiben vom 22. April 2004 (Blatt 35/36 der Akte) ließ der Kläger unter Hinweis auf seinen Widerspruch vom 31. März 2004 von der Beklagten vertragsgerechte Beschäftigung verlangen und die Beklagte abmahnen wegen deren Weigerung, ihn zu beschäftigen. Als nächstes folgten mit anwaltschaftlichem Schreiben vom 7. Mai 2004 (Blatt 39 der Akte) die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten durch den Kläger zum 30. Juni 2004 wegen deren Weigerung, ihn zu beschäftigen, sowie mit Schreiben vom 14. Mai 2004 (Blatt 40 der Akte) eine gegenüber der L. zum 30. Juni 2004 hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung für den Fall, dass das klägerische Arbeitsverhältnis auf diese übergegangen sein sollte.
Im September 2004 verkaufte die Beklagte ihre Geschäftsanteile an der L. an die Firma b.. Im Frühjahr 2005 beantragte die L. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.
Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 3. Mai 2005 eingegangenen Klage fordert der Kläger von der Beklagten Zahlung von EUR 141.267,44 brutto als Abfindung gemäß einem Sozialplan vom 27. September 2000 (Blatt 27 bis 33 der Akte)...