Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Einführung unterschiedlicher Entlohnungsarten. Akkordlohn. Prämienlohn. Zeitlohn. Mitbestimmung des Betriebsrats. Ablösungsprinzip
Leitsatz (amtlich)
1. Gem. § 5 Ziffer 1 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages vom 23.5.2002 für die gewerblichen Arbeitnehmer, für die Angestellten und die Auszubildenden der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (LGRTV) unterliegt die Einführung der Entlohnungsarten Zeit-, Akkord- oder Prämienlohn und damit auch deren Änderung der Mitbestimmung des Betriebsrates.
2. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung verstößt somit nicht gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG, da die Einführung einer bestimmten Lohnart und der Wechsel der Lohnart gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegt und die Bestimmung und die Änderung der Lohnart durch die tarifliche Regelung im LGRTV erlaubt ist.
4. Die Betriebsparteien können mit einer neuen Betriebsvereinbarung den bisher durch Betriebsvereinbarung geregelten Akkordlohn in einen Zeitlohn abändern (Ablösungsprinzig).
5. Die ablösende Betriebsvereinbarung wirkt gem. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG für die betreffenden Arbeitnehmer unmittelbar, soweit sie nicht in bestehende günstigere individualrechtliche Vereinbarungen eingreift. Einer Änderungskündigung bedarf es in diesem Falle nicht. Eine Klage gegen eine vorsorglich zusätzlich ausgesprochene Änderungskündigung ist unbegründet (BAG vom 24.8.2004 1 AZR 419/93).
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 10; KSchG § 2
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 24.02.2006; Aktenzeichen 13 Ca 12421/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.02.2006 – 13 Ca 12421/05 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Umstellung ihrer Entlohnung von Akkordlohn auf einen festen Zeitlohn.
Die Klägerin, geboren am 16.10.1955, ist seit 22.06.1997 bei der Beklagten als Montiererin im Werk Dachau beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Zulieferunternehmen der Automobilindustrie und beschäftigt sich mit Montage von Insassenschutzsystemen, insbesondere Airbags. Im Werk D. werden insgesamt ca. 945 Arbeitnehmer beschäftigt, davon sind ca. 239 Arbeitnehmer als angelernte Montierer in der Produktion eingesetzt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie anwendbar.
§ 5 Ziff. 1 des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages vom 24.10.2002 für die gewerblichen Arbeitnehmer, für die Angestellten und für die Auszubildenden der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (LGRTV) lautet:
”§ 5 Allgemeine Bestimmungen über die Formen der Arbeit und ihre Entlohnung für gewerbliche Arbeitnehmer
1.Die Beschäftigung der Arbeitnehmer erfolgt je nach der Organisation des Arbeitsablaufes und der Voraussetzungen der Arbeit an den Arbeitsplätzen. Die Arbeit wird einzeln oder in Gruppen ausgeführt. Sie wird in Zeit-, Akkord- oder Prämienlohn vergeben.
Die Einführung dieser Entlohnungsarten und die damit verbundene Festlegung des Geltungsbereichs ist mit dem Betriebsrat zu vereinbaren.
Im Nichteinigungsfall ist gem. § 29 Abschn. D MTV-Arbeiter zu verfahren.”
Die Anmerkung zu § 5 Ziff. 1 des LGRTV hat folgenden Wortlaut:
”Die tarifliche Bestimmung tritt an die Stelle des § 87 Abs. (1) Ziff. 10 und Abs. (2) BetrVG.
Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers im Akkord zu arbeiten, vorausgesetzt, daß die tariflichen Bestimmungen bezüglich der Akkordarbeit eingehalten werden, er also auch persönlich zur Leistung von Akkordarbeiten in der Lage ist.
Bei Überführung von Zeitlohnarbeit in Akkordarbeit bedarf es keiner Änderungskündigung, vorausgesetzt, daß damit für den Arbeitnehmer keine Änderung seiner Lohngruppe verbunden ist.
Die ständige Überführung eines Akkordarbeiters in Zeitlohn kann entweder im Vereinbarungsweg oder durch Änderungskündigung erfolgen. Das gleiche gilt für die ständige Überführung von Prämienlohn in Zeitlohn.”
Zwischen den Parteien besteht kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Seit Beginn ihrer Beschäftigung wurde die Klägerin von der Beklagten im Akkordlohn vergütet. Die Akkordlohnregelung hatte die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat zuletzt durch Betriebsvereinbarung Nr. 01 „Entlohnung Produktion” vereinbart. Durch Betriebsvereinbarung vom 24.06.2005 (Nr. 01 Entlohnung Produktion; Bl. 22 d. A.) haben die Betriebsparteien im Interesse der Standortsicherung und zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit u. a. auch die bisherige Betriebsvereinbarung Nr. 01 Entlohnung Produktion ersatzlos aufgehoben und die Umstellung aller Tarifmitarbeiter im Werk Dachau ab 01.07.2005 vom Akkord- in den Zeitlohn vereinbart.
Am 22.07.2005 hat die Beklagte mit dem Betriebsrat des Betriebes D. einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen (Bl. 34 bis 41 d. A.). Zweck des Interessenausgleiches für das Werk D. war: ...