Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses aufgrund Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB nach unzureichender Information über den Betriebsübergang. kein unzulässiger Massenwiderspruch. keine Verwirkung. Information unzureichend bereits wegen ungenauer Angabe der Übernehmerin und Fehlen ihrer Adresse
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Unterrichtung über einen Betriebsübergang erfordert, dass der Betriebsübernehmer grundsätzlich mit Firmenbezeichnung und Anschrift genannt wird, so dass er identifizierbar ist. Bei einer GmbH & Co. oHG gehört auch die exakte Bezeichnung der Zahl der an der oHG beteiligten Gesellschafter dazu, einschließlich der Benennung ihrer gesetzlichen Vertreter, also der Geschäftsführer, falls die Gesellschafter ausschließlich GmbH sind.
2. Eine Information auch über die mittelbaren Folgen eines Betriebsübergangs ist erforderlich, wenn die ökonomischen Rahmenbedingungen des Betriebsübergangs zu einer gravierenden Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer beim neuen Betriebsinhaber führen und diese Gefährdung als ein wesentliches Kriterium für einen möglichen Widerspruch der Arbeitnehmer gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse anzusehen ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Arbeitsplatzsicherheit beim Betriebserwerber maßgeblich betroffen ist.
3. Bei der beim Zeitmoment der Verwirkung gebotenen einzelfallbezogenen Wertung, bei der es eine starre Frist oder Höchstfrist nicht gibt, können insbesondere der Grad der Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit des Unterrichtungsschreibens als auch die Komplexität der mit dem konkreten Betriebsübergang verbundenen rechtlichen Fragen eine Rolle spielen.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5 Nr. 2, §§ 242, 613a Abs. 1, 6
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 31.10.2007; Aktenzeichen 27 Ca 1487/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 31.10.2007 – Az.: 27 Ca 1487/07 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und Berufungsbeklagte (künftig: Kläger) und die Beklagte und Berufungsklägerin (künftig: Beklagte) streiten in der Berufung über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund seines Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. noch bei der Beklagten besteht.
Der Kläger ist seit Dezember 1992 bei der Beklagten im Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen. Sein Bruttogehalt hat zuletzt aufgrund zweier Gehaltserhöhungen von B. 6.146,00 EUR monatlich betragen.
Mit Mitteilung vom 29.8.2005 (Blatt 9/10 der Akten) hat die Beklagte den Kläger darüber informiert, dass sein Arbeitsverhältnis zum 01.10.2005 auf B. übergehen werde.
Die Beklagte hat ihr im Geschäftsgebiet „Com MD (Mobile Devices)” konzentriertes Mobiltelefon-Geschäft auf der Grundlage eines von ihr als „Master Sale und Purchase Agreement” (MSPA) bezeichneten Vertrages mit der B. C. mit dem Sitz in T. mit Wirkung vom 30.09./01.10.2005 in der Weise verkauft, dass die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereichs in Deutschland im Wege der Einzelrechtsübertragung „Asset Deal”) auf die zu diesem Zweck von der B. C. gegründete B. übertragen worden sind. Die Fa. B. ist mit Gesellschaftsvertrag vom 30.08.2005 mit den Gesellschafterinnen Fa. B. M. sowie Fa. B. W. neu gegründet und am 16.09.2005 in das Handelsregister beim Amtsgericht München eingetragen worden. Beide Gesellschafterinnen haben jeweils über ein Stammkapital von 25.000,00 EUR verfügt.
Die Beklagte hat im Zusammenhang mit diesem Unternehmenskaufvertrag an die B. C. einen dreistelligen Millionenbetrag bezahlt. Ebenso hat sie die Patente und Markenrechte des Geschäftsgebiets Com MD auf die B. C. übertragen.
Über den Betriebsübergang hat die Beklagte die ArbeitnehmerInnen des übergehenden Geschäftsbereiches, darunter den Kläger, mit einem Schreiben vom 29.08.2005 mit folgendem Wortlaut (Anl. K2, Bl. 9/10, 104/105 und 239/240 d.A.):
„Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses
Sehr geehrter Herr K.
wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes Com MD (Mobile Devices) zum 01.10.2005 in die B. übertragen.
B. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird B. in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.
In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt B. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit S. kann B. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. S. bietet B. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält B. durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenz sowie globalen Zugang zu der breiten Kundenbasis von S.....