Entscheidungsstichwort (Thema)

Nettolohnvereinbarung. Pflicht des Arbeitgebers, auch Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zu tragen

 

Leitsatz (redaktionell)

Haben die Parteien eines Arbeitsvertrages eine Nettolohnvereinbarung über einen dem Arbeitnehmer zufließenden Nettobetrag geschlossen, so bedeutet dies nicht, dass Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung nicht geschuldet sind. § 257 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist nicht zu entnehmen, dass die Zuschusspflicht lediglich im Falle einer Bruttolohnvereinbarung besteht. Auch wenn die Parteien eine Nettolohnvereinbarung getroffen haben, steht dahinter die beiderseitige Vorstellung, dass der sich daraus zu errechnende Bruttolohn letzten Endes geschuldet sein soll. Demgemäß steht auch eine Nettolohnvereinbarung der Zuschusspflicht nicht entgegen. Der Zuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ist auch nicht Bestandteil einer Nettovergütung, sodass diese Zahlung zusätzlich vereinbart werden müsste.

 

Normenkette

BGB § 611; SGB V § 6 Abs. 4, § 257 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 12.12.2007; Aktenzeichen 4a Ca 10738/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.08.2009; Aktenzeichen 5 AZR 616/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.12.2007 – Az.: 4a Ca 10738/07 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Auszahlung von Abzügen vom Lohn der Klägerin für Sozialversicherungsbeiträge infolge einer Nettolohnvereinbarung.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.10.1991 als Verkäuferin beschäftigt.

Ursprünglich war ihre Arbeitgeberin das Juweliergeschäft K., dessen Inhaberin Frau K. mittlerweile verstorben ist. Frau K. wurde von der Erbengemeinschaft I. beerbt, die mit Wirkung vom 02.01.2007 das Geschäft auf die Fa. I. GmbH & Co. KG, die jetzige Beklagte, übertragen hat. Mittlerweile ist das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung beendet.

Am 14.05.2004 schlossen die damalige Inhaberin des Juweliergeschäfts Frau K. und die Klägerin eine Vereinbarung mit folgendem Inhalt: „Es wird Folgendes vereinbart: Ab 01.06.2004 erhält Frau B. ein monatliches Gehalt in Höhe von Euro 3.000,00 netto. Die Zahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie das vereinbarte Fahrgeld werden zusätzlich vergütet. Die von Frau K. festgelegten Vereinbarungen und Details über den Status von Frau B. als vorerst stellvertretende und zukünftige Geschäftsführerin werden noch schriftlich in Form eines Vertrages bestätigt.” (vgl. Bl. 5 d. A.)

Die Vereinbarung wurde zum damaligen Zeitpunkt geschlossen, da die Klägerin beabsichtigte, eine Stelle bei einem anderen Arbeitgeber anzunehmen. Infolgedessen wurde ihr ursprüngliches Entgelt von EUR 2.400,81 brutto auf EUR 3.000,– netto angehoben.

Die Klägerin erhielt ab Juli 2004 bis zum Ende des Jahres einen Nettolohn in Höhe von EUR 3.000,– abzüglich vermögenswirksamer Leistungen ausbezahlt. Die Bruttovergütung belief sich dabei auf EUR 6.110,27, wobei die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge in Höhe von insgesamt EUR 3.110,27 die Arbeitgeberin trug.

Infolge der Lohnvereinbarung vom 14.05.2004 überschritt die Klägerin die Jahresarbeitsentgeltgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung mit der Folge, dass sie nicht mehr pflichtversichert war. Dies wirkte sich bei ihr wegen § 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V erst mit Ablauf des Kalenderjahres aus, in dem die Jahresentgeltgrenze überschritten worden war. Damit endete die Versicherungspflicht zum 31.12.2004.

Ab Januar 2005 versicherte sich die Klägerin freiwillig bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Klägerin erhielt weiterhin einen Nettoverdienst in Höhe von EUR 3.000,–. Die Beklagte zahlte ihr einen Zuschuss zum Krankenkassenbeitrag. Der gesamte Beitrag zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung wurde dann vom Nettoverdienst der Klägerin in Abzug gebracht und im Wege des Firmenzahlerverfahrens an die Krankenkasse überwiesen. Infolgedessen erhielt sie nicht mehr die vollen EUR 3.000,– netto ausbezahlt. Der Auszahlungsbetrag verringerte sich um folgende Beträge: von Januar bis Juli 2005 um EUR 334,22, von August bis November 2005 um EUR 350,09, im Dezember 2005 um EUR 330,15, von Januar bis Juli 2006 um EUR 357,38, von August bis Dezember 2006 um EUR 353,38, im Januar 2007 um EUR 369,41 und von Februar bis September 2007 um EUR 329,53. Im Zeitraum von Januar 2005 bis Januar 2007 war im Abzugsbetrag ein Betrag in Höhe von jeweils EUR 39,88 für vermögenswirksame Leistungen enthalten.

Ohne Berücksichtigung der abgezogenen vermögenswirksamen Leistungen wurden insofern insgesamt EUR 10.367,61 vom Nettolohn der Klägerin in Abzug gebracht. Im gleichen Zeitraum von Januar 2005 bis September 2007 erhielt sie einen Beitragszuschuss der Beklagten zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von EUR 9.198,48.

Der Bruttolohn der Klägerin betrug im Dezember 2006 EUR 5.308,11 und im Januar 2007 EUR 5.176...

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