Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsanspruch. Versetzung. Suspendierung. Billigkeit. Beschäftigungsverfügung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer hat auch dann den allgemeinen Beschäftigungsanspruch auf – die bisherige – vertragsgemäße Beschäftigung, wenn die Änderung des Inhalts der Arbeitsleistung durch Ausübung des Direktionsrechts oder eines sonstigen Leistungsbestimmungsrechts unwirksam ist.
2. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Grund eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB versetzt, muss bei der Billigkeitsprüfung der Versetzung gemäß § 315 Abs. 3 BGB festgestellt werden, ob aus den vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründen eine Versetzung an sich und ob auch die konkrete Versetzung aus diesen Gründen der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht.
3. Die Versetzung eines Institutsleiters wegen Beschwerden über die Wahrnehmung seiner Aufgaben kann an sich ohne Rücksicht auf die Begründetheit der Beschwerden der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entsprechen, wenn der Institutsleiter zur Erfüllung seiner Aufgaben mit den Beschwerdeführern zusammenarbeiten muss und diese Zusammenarbeit gestört ist.
4. Auch bei der Billigkeitsprüfung einer Versetzung auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz müssen das persönliche Ansehen und die Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, die mit dem alten und dem neuen Arbeitsplatz verbunden sind.
5. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer versetzen, so kann er auch zur vorübergehenden Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigt sein.
6. Hat der Arbeitnehmer im einstweiligen Verfügungsverfahren seinen allgemeinen Beschäftigungsanspruch glaubhaft gemacht, ist damit nicht automatisch auch ein Verfügungsgrund für die entsprechende Beschäftigungsverfügung gegeben. Ein Verfügungsgrund für diese Beschäftigungsverfügung ist jedoch regelmäßig gegeben, wenn der Beschäftigungsanspruch zweifelsfrei besteht und daher auch im Hauptsacheverfahren anerkannt werden müsste.
7. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts versetzt hat, besteht auf Grund § 275 Abs. 1 BGB kein Anspruch mehr auf Unterlassung (Verbot) dieser Versetzung.
8. Ist ein bestimmter Antrag gestellt, so ist das Gericht gemäß § 308 Abs. 1 ZPO auch im einstweiligen Verfügungsverfahren an diesen Antrag gebunden.
9. § 938 Abs. 1 ZPO gilt nicht für eine sog. Befriedigungsverfügung.
Normenkette
GG Art. 1-2; BGB §§ 275, 315; BAT § 12; ZPO §§ 308, 938, 940
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 19.06.2002; Aktenzeichen 16 Ga 110/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts München vom 19.06.2002 – 16 Ga 110/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über das Verbot einer Versetzung und das Gebot der Weiterbeschäftigung der Klägerin auf dem bisherigen Arbeitsplatz.
Der Beklagte stellte die am 19.11.1943 geborene Klägerin nach Maßgabe des Arbeitsvertrags vom 04.02.1986 mit Wirkung vom 01.03.1986 als „Dozentin” ein. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags wurde die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) nach Maßgabe der mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft abgeschlossenen Übernahmetarifverträge vereinbart und festgestellt, dass die Klägerin „danach in Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert” ist. § 5 des Arbeitsvertrags enthält folgende Nebenabrede:
SR 2 d gilt. Insbesondere besteht Einvernehmen darüber, dass die Angestellte gem. § 12 BAT und den geltenden Betriebsvereinbarungen im In- und Ausland versetzt oder abgeordnet werden kann.
Seit dem 01.03.1997 erhält die Klägerin Vergütung nach Vergütungsgruppe (VergGr) I b BAT.
Seit dem 01.04.2000 war die Klägerin als so genannte Entsandte mit der Leitung des … beauftragt. In Bezug auf dieses Institut arbeitet der Beklagte auf Grund der Rahmenvereinbarung vom 27.03.1987 mit der … derart zusammen, dass u. a. die dem „Räumlichkeiten und sonstige Infrastruktur zur Verfügung” stellt (Art. 2), als Leiter des Instituts vom Beklagten „ein entsandter Dozent… eingesetzt” wird (Art. 3 Abs. 1) und dieser Institutsleiter „in Personalunion zugleich die Stelle des Geschäftsführers der” bekleidet (Art. 3 Abs. 2), „Mitglied im Vorstand der (Art. 4) sowie Dienstvorgesetzter des Personals (Art. 6 Abs. 1) ist, das von der beschäftigt wird. Der Beklagte beschäftigte am seit 01.04.2000 nur die Klägerin als Institutsleiterin.
Auf Grund von Beschwerden über die Amtsführung der Klägerin kam es im Frühjahr 2002 zu mehreren Personalgesprächen mit dem Personalvorstand des Beklagten. Als Ergebnis stellte der Personalvorstand in Form einer Liste 18 bei der Amtsführung „zu beachtende Punkte” zusammen, die „zeitnah umzusetzen” die Klägerin auch mit Schreiben des Beklagten vom 02.05.2002 aufgefordert wurde.
Am 16.05.2002 reiste die Klägerin nach Deutschland. Sie meldete sich ab 22.05.2002 arbeitsunfähig krank und hält sich nach wie vor in Deutschland auf.
Mit einer Ermahnung vom 22.05.2002 sow...