Entscheidungsstichwort (Thema)
Unangemessene Benachteiligung durch Formularklausel zur Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation bei Ausscheiden im ersten Quartal des Folgejahres
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rückzahlungsklausel in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag, nach der eine Weihnachtsgratifikation zurückgefordert werden kann, soweit es zu einem "Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres" kommt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn sie auch in Fällen greift, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt.
2. Darüber hinaus ist eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dann anzunehmen, wenn die Weihnachtsgratifikation auch Entgeltcharakter hat. Dies ist durch Auslegung er ermitteln. Wegen des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts ("freiwillige Weihnachtsgratifikation") kommt es vor allem auf den Sinn und Zweck der Sonderzahlung an, der sich aus der Gesamtregelung ergibt.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 162 Abs. 2, § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 611 Abs. 1; GG Art. 12
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Entscheidung vom 11.02.2016; Aktenzeichen 5 Ca 192/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 11.02.2016 - 5 Ca 192/15 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.560,00 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.04.2015 zu zahlen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über ausstehende Vergütung bzw. über die Rückzahlung von Weihnachtsgratifikation.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 15.06.2013 als E., zuletzt in Teilzeit zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.560,00 € nebst Zulagen für Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtbereitschaft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 21.06.2013 enthielt u.a. nachfolgende Regelung:
"5. Vergütung
...
(5.) Der Mitarbeiter erhält anteiliges Urlaubsgeld (ab 2014) und eine freiwillige Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehalts (für 2013 anteilig). Bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres ist diese Gratifikation in voller Höhe zurück zu zahlen.
..."
Die Klägerin erhielt im November 2014 ein "Weihnachtsgeld" in Höhe von 1.560,00 € brutto. Zu einem späteren, nicht aktenkundigen Datum kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.03.2015. Im Rahmen der Gehaltsabrechnung für März 2015 zog die Beklagte 1.245,27 € netto aufgrund einer Nachberechnung des Gehalts für November 2014 ab. In dieser Nachberechnung brachte sie das gezahlte Weihnachtsgeld in Abzug mit der Folge, dass der Klägerin rückwirkend im November 2014 kein Weihnachtsgeld gezahlt wurde.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin die hiesige Klage u.a. auf Zahlung von Weihnachtsvergütung in Höhe von 1.560,00 € brutto erhoben. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel benachteilige die Klägerin unangemessen und sei deshalb unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie erfasse nach ihrem Wortlaut jede vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, Ziff. 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages entspreche der für rechtswirksam beurteilten Rückforderungsklausel im Urteil des BAG vom 18.01.2012 - 10 AZR 667/10. Das arbeitsvertraglich geregelte Weihnachtsgeld sei eine Belohnung für Betriebstreue und habe keinen Entgeltcharakter.
Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 11.02.2016 - 5 Ca 192/15 - Seite 2 bis 5 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Rosenheim hat in dem vorstehend genannten Urteil die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.245,27 € netto zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 1.560,00 € brutto zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht Rosenheim ausgeführt, dass Ziff. 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags nach § 307 Abs. 1 BGB wirksam sei. Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin scheide aus, weil das Weihnachtsgeld nicht als Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt worden sei, sondern die Betriebstreue habe belohnen sollen. Weder aus dem Arbeitsvertrag noch dem sonstigen Vorbringen der Klägerin ergäben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass durch die Weihnachtsgratifikation bereits erbrachte Arbeitsleistung vergütet worden sei. Eine Einschränkung der Klausel für Fälle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers lägen, sei nicht erforderlich. Die Rückzahlung sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitsvertrag durch eine betriebsbedingte Ar...