Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch gegen einen Betriebsübergang. fehlerhafte Information des Betriebsveräußerers. keine Verwirkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Falle eines Betriebsüberganges ist der Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerrufsrechts erhalten. So soll insbesondere dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und ggf. beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. Dabei hat sich der Inhalt der Unterrichtung nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung zu richten.
2. Die Entgegennahme einer Gehaltserhöhung und eines Jubiläumsgeldes beim Betriebserwerber steht in keinem Zusammenhang zum Umstandsmoment im Rahmen der Verwirkung des Widerspruchsrechts gegen den Betriebsübergang.
Normenkette
BGB §§ 613a, 242
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 24.10.2007; Aktenzeichen 7 Ca 18544/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.10.2007 – Az.: 7 Ca 18544/06 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses infolge eines vom Kläger erklärten Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des Betriebsübergangs auf die Fa. B. M. GmbH & Co. OHG.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 01.04.1980 als Hardwareentwickler im Geschäftsbereich M. D. mit einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von EUR 5.689,68 beschäftigt.
Die Beklagte verkaufte mit Vertrag vom 06.06.2005 den Geschäftsbereich M. D. an die B. C. mit Sitz in T. Zu diesem Zweck wurde zwischen der Beklagten und der B. C. ein als „Master Sale and Purchase Agreement” (MSPA) bezeichneter Vertrag abgeschlossen, der sich auf weltweit verteilte Standorte bezog. Der weltweite Verkauf wurde am 30.09.2005 vollzogen. Hierzu sah der MSPA vor, die Vermögensgegenstände Land für Land im Rahmen sog. „Local Asset Transfer Agreements” im Wege der Einzelrechtsübertragung (Asset Deal) auf eigens gegründete Landesgesellschaften der B.-Gruppe zu übertragen. Der deutsche Teil des Geschäftsbereichs M. D. wurde am 30.09.2005 auf die Fa. B. M. GmbH & Co. OHG übertragen. Dieses Unternehmen wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30.08.2005 mit den Gesellschafterinnen Fa. B. M. M. GmbH und Fa. B. W. GmbH gegründet. Im Rahmen des Unternehmenskaufvertrages zahlte die Beklagte an die B. C. einen Betrag in Höhe von 350 Mio. EUR. Des Weiteren wurden im Rahmen des Verkaufs Patente und Markenrechte an die B. C., also die Muttergesellschaft in T., veräußert. Ein Teil der Patente wurde im Zugriff der Fa. B. M. GmbH & Co. OHG belassen.
Die Beklagte informierte die Arbeitnehmer des Geschäftsbereichs M. D., darunter auch den Kläger, mit Schreiben vom 29.08.2005 über den bevorstehenden Betriebsübergang. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut (vgl. Bl. 18 f. d. A.):
„Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses
Sehr geehrter Herr B.,
wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes M. D. zum 01.10.2005 in die B. M. GmbH & Co. OHG (im Folgenden: B. M.) übertragen.
B. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird B. M. in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.
In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt B. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit S. kann B. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. S. bietet B. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält B. durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenz sowie globalen Zugang zu der breiten Kundenbasis von S. Daneben bekommt B. einen auf drei Kontinenten hervorragend etablierten Fertigungsverbund von S.
Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt auf Grund eines Kaufvertrags im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf B. M. Mit diesem Betriebsübergang wird gem. § 613 a BGB B. M. Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der S. AG eintritt. Es wird also anlässlich des Betriebsübergangs – sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind – unverändert mit B. M. fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung). Ebenso gelten die jeweiligen Tarifverträge (einschließlich des Ergänzungstarifvert...