Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Insolvenzverwalters. Neumasseverbindlichkeiten, Masseunzulänglichkeitsanzeige
Leitsatz (amtlich)
Eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 61 Satz 1 InsO für Neu-Masseverbindlichkeiten, die entstanden sind, weil er ein Arbeitsverhältnis nicht zum frühest möglichen Termin nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige gekündigt hat (§§ 208, 209 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2 Ziff. 2 InsO; vgl. BAG, Ue. v. 04.06.2003 und v. 31.03.2004, AP Nrn. zu 2 und 3 zu § 209 InsO), scheidet aus, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt bereits zuvor gekündigt gewesen war. In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, im Hinblick auf einen schwebenden Kündigungsschutzprozess über die frühere Kündigung vorsorglich nachzukündigen – außer, die frühere Kündigung hätte von vornherein als evident unwirksam angesehen werden müssen.
Normenkette
InsO §§ 61, 208-209
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Urteil vom 21.12.2004; Aktenzeichen 8 Ca 1494/03 N) |
Tenor
I.Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil desArbeitsgerichts Augsburg – Kammer Neu-Ulm – vom21. Dezember 2004 – 8 Ca 1494/03 N – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
II.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche unter Berufung auf dessen persönliche Haftung wegen pflichtwidrigen Handelns als Insolvenzverwalters über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin des Klägers geltend.
Der, ausweislich der Angaben im Arbeitsvertrag, am 21.10.1943 geborene Kläger war gemäß Arbeitsvertrag vom 29.07.1999 (Bl. 9 bis 14 d. A.) seit 01.11.1999 bei der Fa. G., G., als Vertriebsleiter mit einer Vergütung von zuletzt durchschnittlich 4.649,52 EUR brutto/Monat zzgl. eines auch zur Privatnutzung zur Verfügung stehenden Firmen-Pkws und eines Beitrages zu einer Direktversicherung in Höhe eines Betrages von 4.090,34 EUR/Jahr beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Neu-Ulm – Insolvenzgericht – vom 01.01.2001 (Bl. 15/16 d. A.) wurden mit Wirkung vom selben Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen dieses Unternehmens eröffnet und der Beklagte, der zuvor bereits vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen war, zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit dessen Zustimmung hatte die Arbeitgeberin den Kläger bereits mit Schreiben vom 30.12.2000 (Bl. 17/18 d. A.) ab 01.01.2001 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
Eine ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung des Beklagten gegenüber dem Kläger vom 26.01.2001 zum 30.04.2001 wurde mit rechtskräftigem Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 18.07.2001 (Bl. 106 bis 118 d. A.) für rechtsunwirksam befunden. Eine weitere außerordentliche fristlose Arbeitgeberkündigung des Beklagten vom 28.06.2001 wegen des Vorwurfs des Spesenbetrugs wurde vom Kläger ebenfalls mit einer Feststellungsklage angefochten. Nachdem der Beklagte am 24.07.2001 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt und den Kläger hierüber mit Schreiben vom 31.08.2001 (Bl. 21/22 d. A.) informiert hatte, kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut mit Schreiben vom 26.09.2001 zum 31.12.2001 (Bl. 23/24 d. A.) vorsorglich ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Mit rechtskräftigem Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 18.12.2002 (nebst Ergänzungsurteil vom 12.03.2003, Bl. 25 f bzw. Bl. 46 f d. A.) wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.06.2001 aufgelöst worden ist, sondern bis zum Ablauf der Frist der vorsorglichen ordentlichen Kündigung am 31.12.2001 fortbestanden hat, wobei gleichzeitig das Bestehen von Differenzvergütungsansprüchen bis 31.10.2001 und ebenso für November 2001 und Dezember 2001 als Alt-Masseverbindlichkeiten gemäß §§ 209 Abs. 1 Nr. 3, 210 InsO festgestellt wurde. Letzteres Urteil wurde am 04.02.2003 zugestellt.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger gegenüber dem Beklagten im Wege dessen persönlicher Haftung aus §§ 60, 61 InsO Ansprüche auf Zahlung von Differenzlohn und Schadensersatz wegen entzogener Dienstwagennutzung für die Monate November 2001 und Dezember 2001 sowie der im Dezember 2001 fällig gewesenen Prämienzahlung für die Direktversicherung des Klägers in der streitgegenständlichen Höhe geltend.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts Augsburg – Kammer Neu-Ulm – vom 21.12.2004, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.02.2005 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, dass diese zwar, mangels entgegenstehender Rechtskraft des Endurteils im vorausgegangenen Verfahren, zulässig, jedoch unbegründet sei, da es sich, wie im früheren Verfahren entschieden, bei den streitgegenständlichen Ansprüchen nicht um Neu-Masseverbindlichkeiten aus...