Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Freiwilligkeitsvorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

Anspruch auf Vertragsänderung aus betrieblicher Übung; Auslegung eines Freiwilligkeitsvorbehalts dahin, dass er den Ausschluss einer Leistung, die bereits vor Erfüllung der klar definierten Leistungsvoraussetzungen im Arbeitsverhältnis stets mit bedacht wird, nicht beabsichtigt.

 

Normenkette

BGB §§ 311a, 133, 157, 151, 242; BayLBG Art. 4, 17-18

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 15.04.2010; Aktenzeichen 22 Ca 6373/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.05.2012; Aktenzeichen 3 AZR 129/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts vom15.04.2010 – 22 Ca 6373/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Abschluss eines ihren Arbeitsvertrag ergänzenden Vertrag über das so genannte Versorgungsrecht hat, durch den die Klägerin Anspruch auf Versorgungsleistungen, Sozialversicherungsfreiheit, Beihilfeberechtigung und besonderen Kündigungsschutz hätte.

Die am 28.03.1961 geborene Klägerin ist seit dem 01.04.1999 bei der Beklagten als Bankangestellte beschäftigt. Davor war die Klägerin mehr als 10 Jahre bei einer anderen Bank beschäftigt. Die Klägerin erhält derzeit als Abteilungsdirektorin Financial Markets ein durchschnittliches monatliches Bruttogehalt von EUR ….

Der Dienstvertrag der Klägerin enthält unter anderem folgende Regelungen:

„Ergänzende Bestimmungen

(2) … Über diesen Vertrag hinausgehende Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.

Leistungen ohne Rechtsanspruch

Auf Leistungen, die nicht in diesem Vertrag festgesetzt sind, besteht auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch.”

Hinsichtlich der Vergütung werden in den arbeitsvertraglichen Regelungen der „Banktarif” bzw. der Besoldungsplan der Bank in Bezug genommen.

Die Beklagte ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie ist 1972 aus einer Fusion der D-bank – Girozentrale – und der E-kreditanstalt hervorgegangen. Im Fusionsvertrag vom 06.06.1972 war zu § 8 Abs. 3 als Anlage eine so genannte „Personalvereinbarung” (PV 72) angefügt. Darin legten die fusionierenden Anstalten bestimmte Grundsätze für die Behandlung der Mitarbeiter fest.

Ziffer 3 der PV 72 lautet:

„3.1

Mitarbeiter, die nach Vollendung des 17. Lebensjahres mindestens zehn Jahre bei den zu vereinigenden Instituten, der A-Bank oder beim Sparkassenverband tätig waren, erhalten eine Versorgung nach den Richtlinien der Versorgungskasse der D-Bank (Anlage 2). In besonders gelagerten Ausnahmefällen können weitere Dienstzeiten anerkannt werden.

3.2

Mitarbeiter, die mindestens 20 Jahre im Kreditgewerbe beschäftigt waren, davon mindestens zehn Jahre bei den zu vereinigenden Instituten oder der A-Bank können einen Rechtsanspruch auf Versorgung nach Maßgabe des beigefügten Vertragsmusters (Anlage 3) erhalten. Besonders tüchtigen und bewährten Mitarbeitern kann ein solcher Versorgungsanspruch vorzeitig gewährt werden. Die Entscheidung über die Gewährung trifft der Vorstand der Landesbank.”

In einer Broschüre der Beklagten mit dem Titel „Informationen für unsere Mitarbeiter” heißt es unter dem Kapitel „Unsere Altersversorgung”:

„Nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren haben sie eine Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Art und Umfang der Leistungen bei Ruhestand, Hinterbliebenenversorgung oder Invalidisierung sind unter anderem abhängig von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und der Höhe ihres versorgungsfähigen Aktivgehalts. Nähere Auskünfte erhalten sie vom UB Personal, Abteilung 1620 Sozialbetreuung.”

In einer weiteren Broschüre, die auch als Mitarbeiterhandbuch bezeichnet wird, heißt es in der Fassung aus dem Oktober 1988 auf der Seite 25 unter der Überschrift „Altersversorgung”:

„Alternative 1 (Versorgungskasse):

Eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen für sich und seine Hinterbliebenen nach den Richtlinien der Versorgungskasse hat jeder … Arbeitnehmer der A-Bank und ihrer Rechtsvorgänger, wenn er nach Vollendung des 17. Lebensjahres mindestens 10 Jahre bei der A-Bank tätig gewesen ist …

Alternative 2 (Versorgung durch die Bank):

Mitarbeiter, die unter den in der Alternative 1 genannten Personenkreis fallen und die auf eine Dienstzeit von 20 Jahren im Kreditgewerbe, davon mindestens 10 Jahre bei der A-Bankder einer ihrer Rechtsvorgängerinnen zurückblicken können, erhalten – bei entsprechend guter Beurteilung durch ihre Vorgesetzten – einen Versorgungsvertrag. Voraussetzung für die Verleihung des Versorgungsrechts ist ferner, dass die gesundheitliche Verfassung eine vorzeitige Pensionierung nicht erwarten lässt. Der Versorgungsvertrag räumt Mitarbeitern und ihren Hinterbliebenen im Versorgungsfall einen Rechtsanspruch auf Ruhegehalt bzw. Witwen-, Witwer- und Waisengeld ein. Für diese Versorgungsleistungen gelten die gleichen Grundsätze, wie sie bereits bei der Alternative ...

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