Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Änderungskündigung bei berechtigter Zuweisung eines neuen Arbeitsortes kraft Weisungsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Ergibt der Arbeitsvertrag oder dessen Auslegung, dass zwischen den Parteien der Ort der Arbeitsleistung fest vereinbart ist, kann dieser festgelegte Arbeitsort nicht durch arbeitgeberseitige Weisung abgeändert werden; liegt keine Festlegung des Arbeitsortes vor, ergibt sich der Umfang des Weisungsrechts der Arbeitgeberin aus § 106 GewO.
2. Die Bestimmung eines Arbeitsortes in Verbindung mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort; dabei macht es keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung generell verzichtet wird und die Arbeitgeberin damit im Rahmen von § 106 GewO diesen zuweisen kann oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt und die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Ortes vereinbart ist.
3. Von der Arbeitgeberin verwendeten Begrifflichkeiten wie "derzeitiger" Dienstsitz und "jeweilige" Geschäftsräume (in A-Stadt) zeigen bereits nach dem Wortlaut nach an, dass es sich hierbei nicht um eine endgültige Festlegung des Arbeitsortes handeln soll; betreibt die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur eine Niederlassung (in A-Stadt), weist der Begriff "derzeitig" darauf hin, dass die Arbeitgeberin durchaus die Möglichkeit in Betracht zieht, dass sich für den Arbeitnehmer auch andere Einsatzorte ergeben könnten und sich damit auch der Dienstsitz ändern könnte (sei es durch eine Verlagerung des Betriebes oder auch durch Erweiterungen der Arbeitgeberin auf weitere Standorte).
4. Will die Arbeitgeberin eine Fixierung des Arbeitsortes auf einen einzigen Standort (A-Stadt) vereinbaren, liegt es nahe, nicht von "derzeitigem Dienstsitz" zu sprechen sondern hinsichtlich des Dienstsitzes einfach auf die Anschrift der Arbeitgeberin zu verweisen.
5. Besteht ein Versetzungsrecht bereits kraft des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts, ist eine diesbezügliche Änderungskündigung überflüssig und unverhältnismäßig und somit unwirksam.
Normenkette
KSchG §§ 2, 4; GewO § 106; KSchG § 4 S. 1; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 16.12.2014; Aktenzeichen 43 Ca 554/14) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 43 Ca 555/14) vom 16.12.2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer, nicht unter Vorbehalt angenommenen, betriebsbedingten Änderungskündigung.
Der Kläger, wohnhaft in A-Stadt, ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit 08.03.1989, zuletzt als Development Technician HW in der Betriebsstätte in A-Stadt mit einem Bruttomonatsentgelt von € 4.763,00 beschäftigt.
Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Anstellungsvertrag vom 12.01./17.01.2000 (Bl. 8 bis 12 d. A.). Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses existierte als einziger Standort der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger die Betriebsstätte in A-Stadt.
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Es bestand für die Betriebsstätte A-Stadt auch ein Betriebsrat.
Die Beklagte beabsichtigte die Anzahl der deutschen Standorte der C-Gruppe aufgrund der wirtschaftlichen Situation sowie zur Zukunftssicherung zu reduzieren. Dabei sollten die bislang vorhandenen Standorte in A-Stadt, E-Stadt, F-Stadt, C-Stadt, G-Stadt und H-Stadt auf die Standorte C-Stadt und E-Stadt konzentriert werden, in dem unter anderem die Standorte in H-Stadt, A-Stadt, F-Stadt, E-Stadt und I-Stadt dorthin verlagert werden sollten. Die betroffenen Mitarbeiter sollten an den neuen Standorten ihre Tätigkeit fortführen. Entsprechend wurden zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat ein Interessenausgleich und ein Sozialplan abgeschlossen. Im Sozialplan waren, speziell zur Abmilderung der Folgen der Verlagerung der jeweiligen Arbeitsplätze, soziale Ausgleichs- und Milderungsmaßnahmen vorgesehen.
Im Interessenausgleich (Bl. 24 ff. d. A.) ist unter Ziffer 2. (4) folgende Regelung einhaltet:
"Die betroffenen Mitarbeiter sollen in den Betrieben C-Stadt und E-Stadt weiter beschäftigt werden. Hierzu wird die C allen Mitarbeitern ein Änderungsangebot unterbreiten, welches mit einer Frist von 10 Tagen angenommen werden kann. Sollten die Mitarbeiter dieses Änderungsangebot nicht innerhalb dieser Frist annehmen, wird die C vorbehaltlich der Annahme des Änderungsangebotes durch die Mitarbeiter von ihrem Direktionsrecht Gebrauch machen und vorsorglich Versetzungen aussprechen. Alternativ wird in diesem Fall die C vorbehaltlich der Annahme des Änderungsangebotes durch die Mitarbeiter vorsorglich Änderungskündigungen, verbunden mit dem Angebot in den Betrieben C-Stadt und E-Stadt tätig zu werden, aussprechen. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, Kündigungen aus a...