Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragliche Öffnungsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tariföffnungsklausel für eine freiwillige Betriebsvereinbarung, die durch TV vom 29. Oktober 2003 dem TV vom 26. Mai 1999 angefügt wurde, scheint auf den ersten Blick eine Verhandlungsfähigkeit von grundsätzlich den Tarifvertragsparteien vorbehaltenen Gegenständen wie Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen für die Betriebspartner gem. § 77 Abs. 3 BetrVG zu eröffnen.
2. Von entscheidender Bedeutung ist allerdings, dass die Tarifvertragsparteien ihr Regelungsprivileg gem. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG über § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG den Betriebspartnern nicht voll zur Ausfüllung überlassen haben, sondern es ganz konkret davon abhängig machten, dass diese eine „freiwillige Betriebsvereinbarung” schlössen. Darin kommt zum Ausdruck, dass ohne diese „freiwillige Betriebsvereinbarung” gerade keine Regelungskompetenz der Betriebspartner bestehen sollte. Weder bestand insoweit ein Initiativrecht einer Mitarbeitervertretung, gleichgültig ob Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, noch eine Zuständigkeitsfestlegung auf Arbeitgeberseite hinsichtlich Konzernunternehmen selbst oder herrschendem Konzernunternehmen, für welche Betriebe und Unternehmen im Konzern auch immer. Damit aber sind die Rechte beider Betriebspartner geschützt, weil sie sich einer solchen Betriebsvereinbarung einfach verweigern konnten. Stellt unter diesen Umständen auch nur einer der Betriebs- oder Konzernpartner, gleichgültig ob auf Arbeitgeber- oder Mitarbeitervertretungsseite, Bedingungen, so kann sich die andere Seite dagegen schützen, indem sie weder Verhandlungen aufnimmt oder verhandelt noch eine Betriebsvereinbarung abschließt. Ein Schutz vor unzulässigen Eingriffen in die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung der Regelungskompetenz der betriebsverfassungsrechtlichen Organe ist daher nicht geboten.
3. Was den Konzernbetriebsrat dazu veranlasst hat, hier mit dem herrschenden Konzernunternehmen die Konzern-BV 2003 abzuschließen, ist dann ohne rechtliche Bedeutung, wenn sie inhaltlich nicht missbräuchlich ist.
Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden angesichts der Tatsache, dass die Beklagte von vorneherein klargestellt hatte, dass diese Betriebsvereinbarung darauf beruht, dass in dem Konzern, dem sie angehört, gerade im Hinblick auf die tarifliche Regelung des 13. Monatseinkommens Einheitlichkeit bestehen oder eingeführt werden sollte. Nur unter diesen Umständen sollte aus der Sicht dieses Konzerns eine Regelung getroffen werden.
Was die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen der Betriebsräte, Gesamtbetriebsräte oder des Konzernbetriebsrats anbelangt, ist nicht darauf abzustellen, ob an einer entsprechenden Einheitlichkeit ein Interesse oder ein Wille des Konzerns vorlag oder ob diese zweckmäßig sei, denn es geht gar nicht um entsprechende betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass gerade im Hinblick auf z. B. das 13. Monatseinkommen auch der Gleichbehandlungsgrundsatz Berücksichtigung finden kann (BAG vom 6. April 1976 – 1 ABR 27/74 – AP Nr. 2 zu § 50 BetrVG 1972), dem eine erheblich höhere Bedeutung beizumessen ist als bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen.
– Auch der Gedanke der Lohngerechtigkeit kann gerade im Hinblick auf einen eigenständigen Lohnbestandteil, hier dem 13. Monatseinkommen von Arbeitnehmern von Konzernunternehmen und -betrieben, nicht unberücksichtigt bleiben (BAG vom 6. Dezember 1988 – 1 ABR 44/87 – AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Mit der neuen einheitlichen Regelung des 13. Monatseinkommens in der Konzern-BV 2003 sollte möglicherweise der gesamten komplexen Struktur des Lohngefüges im Konzern Rechnung getragen werden, unabhängig vom einzelnen Unternehmenserfolg, also auch des Unternehmens, in dem der Kläger beschäftigt ist, der Beklagten.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 58 Abs. 1, § 50 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Regensburg (Urteil vom 16.12.2004; Aktenzeichen 1 Ca 490/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 16. Dezember 2004 – Gz.: 1 Ca 490/04 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt in der Berufung von der Beklagten nur noch die Zahlung der Differenz des in einem Tarifvertrag mit einer Öffnungsklausel für eine „freiwillige Betriebsvereinbarung” festgelegten 13. Monatsgehalts zu dem in einer Konzernbetriebsvereinbarung festgelegten niedrigeren tatsächlich ausgezahlten Betrag. Dabei geht es im Kern um die Rechtswirksamkeit dieser Konzernbetriebsvereinbarung.
Er ist seit 1987 bei der Beklagten in ungekündigter Stellung beschäftigt, zuletzt als Bauleiter gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 4.200,–; das entsprechende monatliche Tarifgehalt beträgt EUR 3.745,– brutto.
Die Beklagte ist ein Unternehme...