Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle
Leitsatz (amtlich)
§ 4 Ziffer 2.1 des RTV für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin i.d.F. vom 19.5.1992 stellt eine eigenständige, für die Arbeitnehmer in Bezug auf die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle von § 4 Abs. 1 EFZG abweichende günstigere Regelung dar.
Normenkette
EntgeltfortzahlungsG § 4 Abs. 1; RTV für techn. und kaufmännische Angestellte des Baugewerbes i.d.F. vom 19.5.1992 § 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 13.2.1997 – 11 Ca 19572/96 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle.
Der Kläger ist seit 1.4.1984 als Bautechniker gegen eine Vergütung von DM 6.684,– brutto monatlich bei der Beklagten beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch beiderseitige Tarifbindung der Rahmentarifvertrag (RTV) für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der … und des in der Fassung vom 19.5.1992 anwendbar.
§ 4 dieses RTV ist überschrieben mit „Arbeitsversäumnis und Arbeitsausfall” und lautet:
1. Unterrichtung des Arbeitgebers,
2. Gehaltfortzahlung im Krankheitsfalle,
2.1 ist ein Angestellter infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert (Arbeitsunfähigkeit), ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes bis zur Dauer von 6 Wochen.
Nach dreijähriger ununterbrochener Betriebs Zugehörigkeit erhalten Angestellte, wenn sie infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind (Arbeitsunfähigkeit) von der siebten Woche an einen Zuschuß vom Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Zuschuß wird in Höhe des Betrages gewährt, der sich als Unterschied zwischen dem Nettogehalt und den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung ergibt. Ist der Angestellte nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert, so ist das Krankengeld oder Hausgeld der Berechnung zugrunde zu legen, das er als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung in der Höchststufe erhalten würde.
Nach siebenjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit wird der Zuschuß nach Absatz 2) bis zur Dauer von acht Wochen und nach zehnjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit bis zur Dauer von zwölf Wochen gewährt.
Der Kläger war vom 10. bis zum 31.10.1996 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte hat ihm nach § 4 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes in der Fassung vom 25.9.1996 nur 80% des Arbeitsentgeltes als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle gewährt.
Mit seiner Klage zum Arbeitsgericht München macht der Kläger die restlichen 20% in Höhe von DM 1.164,92 brutto geltend.
Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 13.2.1997 der Klage stattgegeben mit der Begründung, der Kläger habe gemäß § 4 des RTV für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes Anspruch auf 100% Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle. Die Auffassung des BAG, daß tarifliche Bestimmungen im Zweifel nur deklaratorischen Charakter haben, wenn gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert in einen Tarifvertrag aufgenommen werden, und der Wille des Tarifvertragsparteien zu einer gesetzesunabhängigen eigenständigen Regelung im Tarifvertrag keinen hinreichend erkennbaren Ausdruck gefunden habe, sei dogmatisch mehr als gewagt.
Unabhängig davon sei aber im vorliegenden Falle davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien mit § 4 Ziff. 2.1, 1. Absatz eine gesetzesunabhängige, eigenständige Tarifregelung getroffen haben. Eine nur deklaratorische Regelung, wie sie das BAG im Auge habe, würde nämlich den rechtsgeschäftlichen Willen voraussetzen, sich im Falle einer Gesetzesänderung allen denkbaren künftigen gesetzlichen Regelungen zu unterwerfen. Dies könne aber im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nicht angenommen werden, jedenfalls nicht auf Seiten der Gewerkschaft.
Bezüglich des Vortrages der Parteien im ersten Rechtszug, der von ihnen gestellten Anträge und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes im einzelnen, wird auf den Inhalt des Endurteiles des Arbeitsgerichtes München vom 13.2.1997 (Bl. 20/29 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 12.3.1997 zugestellt wurde, am 21.4.1997 Berufung eingelegt und sie am 23.6.1997 innerhalb der verlängerten Frist begründet.
Sie trägt vor, die tarifvertragliche Regelung über den sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch für Angestellte in § 4 Ziff. 2.1 RTV enthalte lediglich eine deklaratorische Verweisung auf das jeweils geltende Gesetz über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, so daß die Reduzierung der Entgeltfortzahlung auf 80% auch für Angestellte gelte. Die Tarifvertragsparteien hätten i...