Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Information. Widerspruch. Verwirkung
Leitsatz (amtlich)
Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses und Streit über Anspruch aus Annahmeverzug und Schadensersatz.
Leitsatz (redaktionell)
Das Widerspruchsrecht gegen einen Betriebsübergang verwirkt nicht, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer unzureichenden Information des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang davon ausgehen muss, dass der Arbeitnehmer von dem ihm zustehenden Widerspruchsrecht nichts weiß.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5-6, § 242
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 02.08.2007; Aktenzeichen 11 Ca 5610/07) |
Tenor
1.Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.08.2007, Az. 11 Ca 5610/07 teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten aufgrund des Widerspruches vom 28.09.2006 nicht zum 01.10.2005 auf die Firma B. übergegangen ist, sondern fortbesteht.
2.Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
3.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses und über Zahlungsansprüche.
Der Kläger war seit 01.01.1985 bei der Beklagten als Projektleiter im Geschäftsbereich „C.” beschäftigt.
Die Beklagte erzielte zuletzt im Geschäftsbereich „C.” Verluste. Mit Vertrag („Master Sale and Purchase Agreement” = MSPA) vom 06.06.2005 hat die Beklagte den Geschäftsbereich „C.” an die Fa. B. mit Sitz in T. übertragen, hierbei auch Schutzrechte, Patente und Markenrechte. Der MSPA sah vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land in sog. „Local Asset Transfer Agreements”
(LATA) im Wege der Einzelübertragung („Asset Deal”) auf hierzu eigens zu gründende Landesgesellschaften übertragen werden.
In Erfüllung des MSPA hat die Beklagte am 30.09.2005 im „German LATA” die „in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens mit den hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten” (so Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007) an die von der Fa. B. benannte Firma B. übertragen.
Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereiches „C.” keinen Kaufpreis erhalten, sondern hat im Gegenteil an die B. einen dreistelligen Millionenbetrag geleistet („negativer Kaufpreis”).
Die Fa. B. mit Sitz in M., hat ihren Gegenstand in der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Mobiltelefonen. Die Gründung erfolgte mit Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005, die erste Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 16.09.2005. Persönlich haftende Gesellschafter sind die B.-M. sowie die B.W., jeweils mit Sitz in M., mit einem Stammkapital von jeweils EUR 25.000,00. Die Obergesellschaft der B.-Gruppe ist die B.in T. Diese wiederum ist alleinige Gesellschafterin der B.-BV mit Sitz in den N., welche wiederum die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. ist.
Bereits mit Schreiben vom 29.08.2005 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass der Geschäftsbereich „C.”, in welchem er beschäftigt war, zum 01.10.2005 auf die B. übergeht. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
„123500672400
Herrn R. |
München, 29. August 2005 |
Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses
Sehr geehrter Herr R.,
wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes „C.” zum 01.10.2005 in die B. (im Folgenden: B. übertragen.
B. ist ein weltweit führender Anbieter von C.-E.-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird B. in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.
In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt B. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit Siemens kann B. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. Fa. S. bietet B. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält B. durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenzen sowie globalen Zugang zu der breiten Kundenbasis von Siemens. Daneben bekommt B. einen auf drei Kontinenten hervorragenden etablierten Fertigungsverbund von Fa. S..
Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt auf Grund eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf B.. Mit diesem Betriebsübergang wird gem. § 613 BGB B. Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der Fa. S. eintritt. Es wird also anlässlich des Betriebsübergangs – sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind – unverändert mit B. fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung).
Die Höhe und Zusammensetzung des bisherigen Jahreszieleinkommens bleibt anlässli...