Entscheidungsstichwort (Thema)
Entbindungsantrag
Leitsatz (amtlich)
Der betriebsverfassungsrechtliche Entbindungsantrag gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG kann nur auf die in diesem Satz 2 abschließend geregelten Gründe gestützt werden (in Anschluss an LAG München 5.10.1994 – LAGE BetrVG 1972 § 102 Beschäftigungspflicht Nr. 19).
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5 S. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 19.12.2006; Aktenzeichen 31 Ga 291/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten vom 5. Februar 2007 wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Dezember 2006 abgeändert und der Entbindungsantrag vom 11. Dezember 2006 kostenpflichtig abgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Verfügungsverfahren über die Entbindung der Arbeitgeberin von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Beklagten auf seinem bisherigen Arbeitsplatz.
Der 1962 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Beklagte ist seit April 1992 bei der Klägerin, bzw. zunächst bei deren Rechtsvorgängerin, beschäftigt.
Als ihm die Klägerin zum 30. November 2006 eine ordentliche Kündigung aussprach, ließ der Beklagte dagegen Kündigungsschutzklage erheben, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.
Der Betriebsrat war am 8. Juni 2006 zur beabsichtigten Kündigung des Beklagten angehört worden und hatte der Kündigung mit Schreiben vom 13. Juni 2006 (Blatt 7 der Akte) nach § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen.
Mit einem Hinweis auf diesen Widerspruch verlangte der Beklagte mit anwaltschaftlichem Schreiben vom 27. November 2006 (Blatt 8/9 der Akte) seine Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG.
Die Klägerin ist der Ansicht, ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats liege nicht vor, die Weiterbeschäftigungspflicht werde damit nicht ausgelöst.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht München das anhängige Verfügungsverfahren einleiten lassen mit den Anträgen:
Es wird festgestellt, dass ein Anspruch des Antragsgegners auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG nicht besteht.
Hilfsweise: die Antragstellerin wird von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Antragsgegners bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens – Arbeitsgericht München, 28 Ca 11965/06 – entbunden.
Auf Anregung des Erstgerichts war zuletzt nur mehr der Entbindungsantrag gestellt worden und dieser hatte dann auch Erfolg. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 19. Dezember 2006 wird Bezug genommen.
Mit der am 5. Februar 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen und zugleich begründeten Berufung gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 4. Januar 2007 zugestellte Entscheidung verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter. Dem Erstgericht wird Verkennung der Entbindungsgründe vorgehalten. § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG sehe ein besonderes Verfahren in Form der Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung vor, wenn einer der abschließend in Satz 2 Nrn. 1 bis 3 genannten Entbindungsgründe vorliege. Soweit das Erstgericht dem Antrag stattgegeben habe, weil der Betriebsrat der Kündigung nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG widersprochen habe, sei dieser Umstand im vorliegenden Entbindungsverfahren gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG unerheblich.
Die Voraussetzungen einer analogen Rechtsanwendung lägen nicht vor. Analogie setze eine planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlagen voraus. Beides sei hier nicht gegeben. Ein Widerspruch, der als nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG einzustufen sei, müsse nicht schon allein aus diesem Grunde auch offensichtlich unbegründet im Sinne des §§ 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG sein. Dass der Prüfungsumfang nicht identisch ist, ergebe sich schon aus der unterschiedlichen Terminologie und daraus, dass nur in Letzterer Vorschrift das Merkmal der Offensichtlichkeit gefordert werde.
Einer der Entbindungsgründe im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG liege nicht vor und so lautet der Berufungsantrag:
Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Dezember 2006 (Az.: 8 Ga 291/06) wird aufgehoben und der Antrag auf Entbindung der Verfügungsklägerin von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung abgewiesen.
Die Klägerin lässt beantragen:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Ergänzend dazu wird darauf hingewiesen, dass sich die angegriffene Entscheidung im Einklang mit der am Landesarbeitsgericht München herrschenden Meinung befinde. In einer Vielzahl von Entscheidungen sei vom gesetzlichen Wortlaut abgewichen worden und man habe einen nicht ordnungsgemäßen Widerspruch dem offensichtlich unbegründeten Widerspruch gleichgestellt.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf den Berufungsschriftsatz vom 5. Februar 2007 (Blatt 59 bis 66 der Akte), auf...