Entscheidungsstichwort (Thema)
Elternzeitübertragung bei Überschneidung von Elternzeiten
Leitsatz (amtlich)
Überschneiden sich zwei Elternzeiten und beendet der Elternzeitberechtigte die Elternzeit für das erste Kind vorzeitig, um den verbleibenden Rest von bis zu zwölf Monaten unmittelbar im Anschluss an die Elternzeit für das zweite Kind zu nehmen, und legt er sich bereits bei der vorzeitigen Beendigung der ersten Elternzeit gegenüber dem Arbeitgeber hierauf fest, kann der Arbeitgeber seine Zustimmung zur Übertragung gemäß § 315 BGB nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe verweigern.
Normenkette
BErzGG § 15 Abs. 2 Sätze 1-4, § 16 Abs. 3 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 04.10.2007; Aktenzeichen 6 Ca 1279/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 04.10.2007 – Az.: 6 Ca 1279/07 – abgeändert:
Das Versäumnisurteil vom 23.08.2007 wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, ihre Zustimmung zur Übertragung der Elternzeit für das Kind K. der Klägerin auf den Zeitraum vom 23.07.2009 bis 20.06.2010 zu erklären.
2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 23.08.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beklagte und Berufungsklägerin (künftig: Beklagte) wendet sich mit ihrer Berufung gegen die ihr vom Arbeitsgericht München mit Endurteil vom 04.10.2007 im Wege der Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 23.08.2007 auferlegte Verpflichtung, der Übertragung der Elternzeit für das Kind der Klägerin und Berufungsbeklagten (künftig: Klägerin) K. auf den Zeitraum vom 23.07.2009 bis 04.07.2010 zuzustimmen.
Die Klägerin ist seit dem 01.05.1999 bei der Beklagten als Reiseverkehrskauffrau zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.782,36 EUR beschäftigt. Am 04.07.2004 ist ihre Tochter K. geboren worden. Die Klägerin hat Elternzeit für dieses Kind für den Zeitraum vom 03.09.2004 bis 03.07.2007 beansprucht.
Am 23.07.2006 ist das zweite Kind der Klägerin A. zur Welt gekommen. Mit Schreiben vom 03.08.2006 (Bl.11 d.A.) hat die Klägerin der Beklagten die Geburt ihres Sohnes mitgeteilt und erklärt, sie nehme die vollen drei Jahre Elternzeit für ihren Sohn in Anspruch und wolle die verbleibende Elternzeit für ihre Tochter K. vorab oder danach einbringen. Mit Schreiben vom 16.08.2006 (Bl.12 d.A.) hat die Klägerin das ihr von der Beklagten zugesandte Elternzeitantragsformular an die Beklagte zurückgeschickt und darin erklärt, die verbleibende Elternzeit für ihre Tochter K. an die beantragte Elternzeit für ihren Sohn A. „dranhängen” zu wollen.
Die Beklagte hat der Elternzeit für den Sohn A. wie von der Klägerin beantragt für den Zeitraum vom 19.09.2006 bis 22.07.2009 zugestimmt, die Übertragung der Restelternzeit für die Tochter K. der Klägerin auf den Zeitraum unmittelbar im Anschluss an die Elternzeit für den Sohn A. jedoch mit Schreiben vom 21.09.2006 (Bl.14 d.A.), 10.10.2006 (Bl.16 d.A.) und 25.10.2006 (Bl.18 d.A.) abgelehnt.
Mit Schriftsatz ihres Protzessbevollmächtigten vom 23.01.2007 hat die Klägerin Klage zum Arbeitsgericht München erhoben, um die Zustimmung der Beklagten zur Übertragung der Elternzeit wie beantragt zu erreichen. Sie hat vorgetragen, ein Interesse der Beklagten, das der beantragten Übertragung im Wege stehen könne, sei nicht erkennbar. Die Beklagte sei aufgrund ihrer Größe und der überwiegenden Beschäftigung von Teilzeitkräften in der Lage, auch für den beantragten Übertragungszeitraum auf ihre Arbeitsleistung zu verzichten. Sie sehe nicht, dass durch die Übertragung der Elternzeit die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit bei der Beklagten weiter erschwert werde. Die Beklagte könne aufgrund der langen Zeitdauer bis zum Beginn der übertragenen Elternzeit unschwer Ersatz für sie finden und Vorkehrungen für die Arbeitseinteilung treffen. Auch habe die Beklagte die Frist zur Ablehnung der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit für die Tochter K. verfehlt.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, sie habe beabsichtigt, Elternzeit für den Sohn A. bereits ab 09.09.2006 zu beantragen, sei jedoch durch das missverständliche Formular der Beklagten veranlasst worden, sie erst ab 19.09.2006 zu beantragen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.08.2007 hat das Arbeitsgericht auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil (Bl.53/54 d.A.) gegen die nicht erschienene Beklagte erlassen. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten am 31.08.2007 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 05.09.2007 (Bl.58/60 d.A.), beim Arbeitsgericht München am selben Tag eingegangen, hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 23.08.2007 eingelegt. Sie hat vorgetragen, sie habe die vorzeitige Beendigung der Elternzeit für das Kind der Klägerin K. zu Recht abgelehnt, da die Klägerin nicht wie vom Gesetzgeber bezweckt die Gelegenheit zur situativen Umplanung der festgelegten Betreu...