Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Änderung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz. Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gestaltung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz unterliegt der Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers, die von den Gerichten für Arbeitssachen lediglich auf offenbare Unsachlichkeit überprüft werden kann. Die Gerichte für Arbeitssachen haben grundsätzlich die Entscheidung des Arbeitgebers zu respektieren, bestimmte Tätigkeiten und Aufgaben nur von Mitarbeitern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeit haben.
2. Ändert der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für einen bereits besetzten Arbeitsplatz, gelten verschärfte Anforderungen für die Voraussetzungen einer Kündigung, die auf die Änderung des Anforderungsprofils gestützt wird. Der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall darlegen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeit auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf besteht. Diese Darlegungslast erhöht sich umso mehr, wenn der von der Umorganisation betroffene Arbeitsplatz mit einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer besetzt ist. Darzulegen ist dann, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für eine Stellenprofilierung handelt.
3. Als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen, wobei insoweit auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen kann.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 05.08.2004; Aktenzeichen 9 Ca 15130/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom05.08.2004 – 9 Ca 15130/03 – wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2003 gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen wird abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.07.2003.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 01.01.1997 beschäftigt. Zunächst war er als Senior-Vertriebsbeauftragter tätig. Zum 01.07.2002 wurde dem Kläger der Key Account B. zugewiesen, für den er ab 01.01.2003 alleine verantwortlich war. Das durchschnittliche Jahresgehalt des Klägers belief sich zuletzt auf ca. EUR 95.000,–.
Mit Schreiben vom 30.07.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30.09.2003.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass diese Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei. Insbesondere sei die Stelle des Klägers nicht durch die Schaffung einer neuen Stelle Key Account Manager II entfallen. Der Arbeitsplatz des Klägers werde lediglich von einem anderen Mitarbeiter besetzt. Es sei auch nicht zutreffend, dass dem Kläger relevante Kundenkontakte zu B. fehlen würden. Außerdem habe die Beklagte die soziale Auswahl falsch getroffen und dem Betriebsrat den Kündigungsgrund nicht umfassend mitgeteilt.
Die Beklagte hält dem entgegen, dass der Entschluss gefasst worden sei, die Stelle des Klägers zum 15.05.2003 zu streichen und sie in eine neue Stelle Key Account Manager II zu integrieren. Ab Beginn der Alleinverantwortung des Klägers für den Key Account B. habe sich herausgestellt, dass dem Kläger die entscheidenden Beziehungen zu den für die Vergabe von IT-Aufträgen maßgeblichen Personen bei der B. gefehlt hätten. Für eine erfolgreiche Tätigkeit als Key Account Manager der Beklagten bei B. sei es nicht nur erforderlich, die Mitarbeiter der B. auf der Leitungsebene im Bereich Informationstechnologie gut zu kennen, sondern vielmehr noch weitaus wichtiger, die relevanten Entscheider in den einzelnen Bereichen der B., die Software nutzen können, zu kennen. Bei den maßgeblichen Entscheidern der B. habe der Kläger keinerlei Akzeptanz gefunden. Aus diesem Grund habe man sich bei der Beklagten entschlossen, die Position des Klägers zu streichen und stattdessen die Position des Key Account Managers II neu zu schaffen. Das Anforderungsprofil dieser Stelle setze unter anderem voraus:
- „langjährige, vertrauensvolle Kundenbeziehung auf Entscheiderlevel für einen großen Automobilhersteller in Bayern (mindestens sieben bis acht Jahre),
- Seniorität und Kommunikationsfähigkeit auf Top-Managementebene.”
Die Stelle sei mit einem Bewerber besetzt worden, der zum damaligen Zeitpunkt 14 Jahre Vertriebserfah...