Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach § 20 Abs. 6 des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundesbahn (AnTV). Offensichtlichkeit des Mangels des rechtlichen Grundes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. September 1986 – 6 AZR 517/83 – ist ein Mangel des rechtlichen Grundes dann offensichtlich im Sinne des § 26 Abs. 14 des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn, wenn der Empfänger der Bezüge ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen hat. Diese Grundsätze gelten auch bei dem fast wortgleichen § 20 Abs. 6 des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundesbahn.

2. Ein Arbeitnehmer, der in der Erklärung zum Ortszuschlag, die zum Bezug des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlages führt, wahrheitsgemäß angibt, daß seine geschiedene Ehefrau nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, verletzt nicht seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße, wenn er sich nicht laufend bei seiner ehemaligen Ehefrau, zu der er nur eingeschränkten Kontakt hat, nach der Art. ihrer Beschäftigung erkundigt und daher nicht erfährt, daß sie nach Ausfüllung der Erklärung eine Stelle im öffentlichen Dienst angenommen hat.

 

Normenkette

BGB § 818 Abs. 3-4, § 819 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 11.11.1986; Aktenzeichen 14 Ca 16270/85)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 11. November 1986 – 14 Ca 16270/85 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob die Beklagte vom Kläger zuviel gezahlte Bezüge zurückfordern kann.

Wegen des unstreitigen Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der in der ersten Instanz gestellten Anträge sowie wegen der sachlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 11. November 1986 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat in diesem Urteil die Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 1.100,– zu zahlen und festgestellt, daß der Beklagten kein Rückforderungsanspruch in Höhe von insgesamt DM 2.256,28 zusteht.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung berufen könne. Nach § 20 Abs. 6 des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundesbahn (AnTV) regele sich die Rückzahlung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung stehe es gleich, wenn der Mangel offensichtlich sei, daß der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung könne aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden. Diese Bestimmung entspreche wörtlich § 87 Abs. 2 B. Es sei daher erforderlich, die zu § 87 Abs. 2 ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes heranzuziehen; Nach dieser Rechtsprechung sei die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung dann nicht möglich, wenn die zu Unrecht erhaltene Leistung durch Umstände verursacht sei, die auf einem Verschulden des Begünstigten schlechthin beruhten oder in seinem Verantwortungsbereich lägen.

Im vorliegenden Fall beruhe die Überzahlung des kinderbezogenen Ortszuschlages darauf, daß der Kläger der Beklagten nicht mitgeteilt habe, daß seine geschiedene Ehefrau seit dem 10. Mai 1982 beim Krankenhaus … und somit im Öffentlichen Dienst beschäftigt sei und daher seit Mai 1982 kinderbezogenen Ortszuschlag erhalte. Dieser Umstand sei der Handlung- und Erklärungssphäre des Klägers zuzuordnen. Der Kläger sei schon aufgrund seiner aus dem Dienstverhältnis zur Beklagten sich ergebenden Treuepflicht gehalten gewesen, alle Änderungen in den persönlichen Verhältnissen bekanntzugeben, die von Einfluß auf die Höhe seiner Bezüge sein konnten. Dem Kläger sei schon länger bekannt gewesen, daß seine geschiedene Ehefrau im Öffentlichen Dienst tätig sei, denn er habe im „Antrag auf Zahlung von Kindergeld an Angehörige der … auf Berücksichtigung eines Zählkindes” vom 11. April 1985 selbst angegeben, daß seine Ehefrau am Krankenhaus … beschäftigt sei.

Es könne nicht, wie es das Arbeitsgericht getan habe, zugunsten des Klägers eingewendet werden, es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, sich nach der Scheidung noch über die persönlichen Verhältnisse seiner geschiedenen Ehefrau auf dem laufenden zu halten. Der Kläger habe sich in seiner Erklärung vom 22. Juli 1980 (Bl. 41 d.A.) ausdrücklich verpflichtet, jede eintretende Änderung der dargelegten Verhältnisse unverzüglich der für die Zahlung seiner Bezüge zuständigen Stelle anzuzeigen und zu belegen. Der Arbeitgeber müsse sich darauf verlassen können, daß der Erklärende die entsprechende Verpflichtung auch einhalte.

Der Kläger sei auch aus dem Gesichtspunkt des ...

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