Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterrichtung über Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem „Veräußerer” eines Geschäftsbereichs, obwohl Widerspruch gegen den Betriebsübergang erst 13 Monate nach Information (keine ausreichende Unterrichtung über den Betriebsübergang, kein unwirksamer Massenwiderspruch, keine Verwirkung des Widerspruchsrechts).
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5-6, § 242
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 10.09.2007; Aktenzeichen 8 Ca 18552/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom10.9.2007 – 8 Ca 18552/06 – wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte ¾ und der Kläger ¼.
3. Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 01.03.1984 als Entwicklungsingenieur im Geschäftsbereich „C.M.D.” – also in der M-Sparte – beschäftigt. Arbeitsort war der Betrieb München, Grillparzerstraße.
Nachdem die M-Sparte bei der Beklagten seit Jahren defizitär war, veräußerte sie im Jahre 2005 diesen Geschäftsbereich. Am 06.06.2005 schlossen die Beklagte und die pp. Corporation mit Sitz in T. ein Rahmenvertrag („Master Sale and Purchase Agreement”). Der hierin geregelte Verkauf der M-Sparte an die pp.-Gruppe wurde zum Stichtag am 30.09.2005 im Wege der Einzelrechtsübertragung auf pp.-Landesgesellschaften umgesetzt. Für Deutschland wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005 und Eintragung in das Handelsregister am 16.09.2005 die pp. GmbH & Co. oHG (im folgenden pp.) gegründet. Gesellschafter der pp. waren die pp. Management GmbH und die pp. Wireless GmbH, jeweils mit einem Stammkapital in Höhe von EUR 25.000,00. Alleinige Gesellschafterin dieser beiden GmbHs war die pp. Holding B.V. mit Sitz in den N., die ihrerseits 100-prozentige Tochter der Obergesellschaft der pp.-Gruppe, der pp. Corporation ist.
Der pp. wurde der deutsche Teil des Geschäftsbereiches C.M.D. aufgrund eines „Local Asset Transfer Agreements” übertragen. Hiernach gingen die in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens sowie die hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten auf pp. über. Hiermit verbunden war auch die Übernahme diverser sonstiger Verbindlichkeiten, wie insbesondere der Pensionszusagen an Mitarbeiter des Geschäftsbereichs C.M.D..
Der pp. Corporation wurde ein sogenannter negativer Kaufpreis, den der Kläger mit EUR 350 Millionen beziffert, überweisen. Zudem sieht der Rahmenvertrag mit der pp. Corporation vor, dass dieser die von der Beklagten gehaltenen auf die M-Sparte bezogenen Schutzrechte, Patente und Marken übertragen werden. Dies ist nur teilweise umgesetzt worden. Die Schlüsselpatente wurden jedenfalls auf die pp. Corporation übertragen.
Mit Schreiben vom 29.08.2005 teilte die Beklagte dem Kläger und den anderen betroffenen Mitarbeitern mit, dass die Aktivitäten des Geschäftsbereiches C.M.D. zum 01.10.2005 auf die pp. übergehen würden. Bezüglich des Wortlauts des Schreibens wird auf die Anlage K 2 (Bl. 18 d.A.) Bezug genommen.
Ab 1.10.2005 erbrachte der Kläger seine Arbeitsleistung für pp.. Zum 1.6.2006 wurde das Gehalt des Klägers im Zuge der Umsetzung der EFA-Regelung für übertarifliche Mitarbeiter auf EUR 6.146,– erhöht.
Am 28.09.2006 stellte die pp. Antrag auf Insolvenzeröffnung. Mit Schreiben ebenfalls vom 28.09.2006 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die pp. (Bl. 26 ff. d.A.). Am 27.11.2006 sprach der Kläger eine Kündigung gegenüber der pp. aus. Das Amtsgericht München eröffnete mit Beschluss vom 01.01.2007 das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt Dr. pp. zum Insolvenzverwalter. Ebenfalls am 01.01.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafterinnen der pp. eröffnet.
Mit seiner am 28.12.2006 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage begehrt der Kläger vor allem die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe. Sein Widerspruch vom 28.09.2006 habe den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die pp. verhindert. Die Frist des § 613a Abs. 6 BGB habe nicht zu laufen begonnen, weil die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über den Betriebsübergang informiert habe.
Dagegen ist die Beklagte der Auffassung, das Arbeitsverhältnis sei auf die pp. übergegangen. Der Widerspruch des Klägers sei gemäß § 613a Abs. 6 BGB verfristet, da er mit Schreiben vom 29.08.2005 ordnungsgemäß unterrichtet worden sei. Das Unterrichtungsschreiben erfülle alle gesetzlichen Voraussetzungen. So sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass das Geschäftsgebiet „C.M.D. zum 01.10.2005” auf pp. übertragen werde. Damit seien Zeitpunkt und Gegenstand des Übergangs genannt worden. Als Grund für den Übergang sei angegeben worden, dass das Geschäftsgebiet „aufgrund eines Kaufvertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf pp.” übertragen werde. Damit sei der Rechtsgrund ausreichend...