Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwarzgeldabrede
Leitsatz (amtlich)
Treffen die Parteien eine „Schwarzgeldabrede”, wonach das Arbeitsverhältnis als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit EUR 400,– monatlich geführt wird, aber tatsächlich mindestens EUR 1.300,– an den Arbeitnehmer ausbezahlt werden, so wird gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV die Vereinbarung eines Nettoarbeitsentgeltes fingert; der Arbeitnehmer hat in diesem Falle Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber auf das an den Arbeitnehmer bezahlte Entgelt die Lohnsteuer und die gesamten Sozialversicherungsbeiträge übernimmt.
Normenkette
SGB IV § 14
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 26.06.2008; Aktenzeichen 13 Ca 6947/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Anerkenntnis- und Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 26.6.2008 – 13 Ca 6947/06 – in Ziffern 1. bis 4. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.486,10 (in Worten: zweitausendvierhundertsechsundachtzig 10/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 1.647,– (in Worten: eintausendsechshundertsiebenundvierzig Euro) seit 2.6.2006 und aus weiteren EUR 789,10 (in Worten: siebenhundertneunundachtzig 10/100 Euro) seit 6.10.2006 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe der Firmenkasse mit einem Kassenbestand von EUR 2.154,– (in Worten: zweitausendeinhundertvierundfünfzig Euro), unter Anrechnung der Vergütung aus EUR 2.486,10 (in Worten: zweitausendvierhundertsechsundachtzig 10/100 Euro) brutto gemäß dem Anerkenntnisurteil vom 26.6.2008.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.796,10 (in Worten: eintausendsiebenhundertsechsundneunzig 10/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.6.2006 zu zahlen unter Anrechnung von EUR 1.796,10 (in Worten: eintausendsiebenhundertsechsundneunzig 10/100 Euro) brutto gemäß dem Anerkenntnisurteil vom 26.6.2008.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
- Der Streitwert wird auf EUR 4.282,– festgesetzt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug für die Monate April und Mai 2006 sowie über Urlaubsabgeltung. Die Klägerin war bei der Beklagten vom 1.8.2003 bis 31.5.2006 in einer S. in D. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von der Beklagten im April 2006 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.5.2006 gekündigt. Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses wurde vom LAG München (9 Sa 1390/06) rechtskräftig entschieden, dass das Arbeitsverhältnis infolge ordentlicher Kündigung geendet hat.
Zwischen den Parteien wurde kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen. Sie haben eine geringfügige Beschäftigung der Klägerin vereinbart (siehe Fragebogen für geringfügig Beschäftigte (400 Euro-Kräfte) Bl. 46/47 d. A.). In dem Fragebogen hat die Klägerin durch „Ankreuzen” erklärt, dass sie keine weiteren Beschäftigungsverhältnisse hat, dass sie nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist und es bei der Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung verbleibt. Die Klägerin erhielt jedoch von der Beklagten vom Beginn ihres Arbeitsverhältnisses an nicht nur EUR 400,– monatlich, sondern darüber hinausgehende Beträge und zwar nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin (gem. der Aufstellung Bl. 92/93 d. A.) für die Zeit August bis Dezember 2003 insgesamt EUR 7.366,27 (zusammengesetzt aus 5 × EUR 400,– Grundlohn und EUR 5.366,27 Überstundenlöhne), für 2004 insgesamt EUR 20.703,23 (zusammengesetzt aus 12 × EUR 400,– 1. Grundlohn, 12 × EUR 900,– 2. Grundlohn, EUR 1.747,50 Überstundenlöhne, EUR 2.907,47 Umsatzprovision ohne B.-provision, EUR 448,26 Provision monatlich B.-umsätze), für 2005 insgesamt EUR 21.436,73 (zusammengesetzt aus 12 × EUR 400,– 1. Grundlohn, 12 × EUR 900,– 2. Grundlohn, EUR 1.688,78 Überstundenlöhne, EUR 3.705,15 Umsatzprovision ohne B.-provision und EUR 442,80 Provision monatliche B.-umsätze). Für Januar 2006 erhielt die Klägerin von der Beklagten insgesamt EUR 1.653,02, für Februar 2006 EUR 1.611,11 und für März 2006 EUR 2.086,87.
Die Beklagte hat die Klägerin dennoch von Anfang an steuer- und sozialversicherungsrechtlich als eine mit EUR 400,– monatlich geringfügig Beschäftigte behandelt und die Lohnsteuern und Sozialversicherungsleistungen nicht nach dem tatsächlichen Verdienst abgeführt.
Nach ihrem letzten Arbeitseinsatz nahm die Klägerin die Geschäftskasse mit einem Kassenbestand von EUR 2.154,– an sich und hat sie bisher nicht herausgegeben. Die Beklagte ihrerseits hat der Klägerin weder die Vergütung für den Monat April noch für den Monat Mai 2006 bezahlt; auch die Urlaubsabgeltung für 2006 wurde nicht bezahlt.
Mit ihren Klagen zum Arbeitsgericht München (13 Ca 6947/06 und 26 Ca 9186/07, die am 19.8.2006 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden w...