Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbereitschaft. Rettungsassistent
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob bei Rettungsassistenten mit 12-Stunden-Schicht, in die Arbeitsbereitschaft fällt, die nach der einschlägigen tarifvertraglichen Regelung als Arbeitszeit zu bezahlenden und dem Jahresarbeitszeitkonto als geleistete Arbeit gutzuschreibenden sog. Kurzzeitpausen im Umfang von insgesamt 60 Minuten je Schicht bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, Erholungsurlaub und ganztägigen Fortbildungsveranstaltungen von der Arbeitszeitgutschrift auf dem Jahresarbeitszeitkonto abgezogen werden dürfen.
Normenkette
MTV Bayerisches Rotes Kreuz §§ 1-2; TV Arbeitszeit Bayerisches Rotes Kreuz §§ 1, 5; BAT §§ 37, 47-48; ArbZG § 4; BGB §§ 615, 293 ff.
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 20.10.2005; Aktenzeichen 11 Ca 5992/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20.10.2005 – 11 Ca 5992/05 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert:
- Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, in Fällen von Krankheit und Urlaub dem Jahresarbeitszeitkonto des Klägers eine geringere – d.h. eine um insgesamt 60 Minuten Kurzzeitpausen verminderte – Stundenzahl gutzuschreiben, wie wenn der Kläger, wie vom Dienstplan vorgesehen, tatsächlich gearbeitet hätte.
- Der Beklagte wird verurteilt, dem Jahresarbeitszeitkonto des Klägers 1,07 Stunden aus dem Jahr 2004 gutzuschreiben.
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3,50 EUR (i.W.: Drei 50/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 01.12.2005 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/3 und dem Beklagten zu 2/3 auferlegt.
III. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagte berechtigt ist, in Fällen von Krankheit, Urlaub und sog. Schichtunterricht dem Jahresarbeitszeitkonto des Klägers eine um 1 Stunde je ausgefallenem Arbeitstag verringerte Arbeitzeit (entsprechend der Gesamtdauer der je Arbeitstag mitbezahlten Kurzzeitpausen) gutzuschreiben, wie wenn der Kläger die dienstplanmäßig vorgesehene Arbeit geleistet hätte, ferner um die vom Kläger begehrte Gutschrift von 3,07 Stunden aus dem Jahr 2004 zum bestehenden Guthaben von 2.072,24 Stunden auf dem Jahresarbeitszeitkonto des Klägers und um die von ihm begehrte Zahlung von 10,05 EUR brutto als Überstundenvergütung.
Der Kläger ist seit 15.09.1989 beim Beklagten als Rettungsassistent beschäftigt aufgrund Arbeitsvertrages vom 29.08.1989. Er wird auf der Rettungswache O. bei M. eingesetzt in arbeitstäglichen Schichten zu je 12 Stunden, während deren gesamter Dauer der Kläger, soweit er sich nicht im Einsatz befindet, auf der Rettungswache anwesend und jederzeit bereit sein muss, umgehend die Arbeit aufzunehmen.
Im Arbeitsvertrag ist unter anderem bestimmt, dass sich das Beschäftigungsverhältnis nach den Vorschriften des Manteltarifvertrages zur Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT/Bund-Länder) für die Angestellten des B. in der jeweils geltenden Fassung sowie der ergänzenden Tarifverträge (MTV) bemisst.
Die Parteien wenden auf das Arbeitsverhältnis den zwar gekündigten, aber kraft Nachwirkung weiter geltenden Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des B. vom 01.01.2003 an. In dessen § 2 Abs. 5 (zu § 15 Abs. 1, 2 und 3 BAT – Arbeitszeit) ist unter Ziffer 1 bestimmt, dass für die Arbeitszeit auch der Tarifvertrag über die Arbeitszeit für die Beschäftigten des B. vom 01.07.2003 (TV Arbeitszeit) gilt. § 1 Abs. 6 MTV (Zu § 15 Abs. 1 BAT-Kurzpausen) sieht vor, dass abweichend von § 4 ArbZG die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer (mindestens 5 Minuten) aufgeteilt werden kann, die als Arbeitszeit vergütet werden. In § 1 Abs. 7 (Zu § 15 Abs. 2b BAT-Arbeitsbereitschaft) ist geregelt, dass im mobilen Rettungsdienst die regelmäßige Arbeitszeit nach § 15 Abs. 2b BAT bis zu 11 Stunden täglich (durchschnittlich 45 Stunden pro Wochen) verlängert werden kann, wenn in sie regelmäßig Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich 3 Stunden täglich fällt.
Der TV Arbeitszeit sieht in § 1 Abs. 1 vor, dass die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit sich nach dem BAT (§ 15) in seiner jeweils gültigen Fassung richtet und für die Berechnung des Durchschnittes der wöchentlichen Arbeitszeit ein Ausgleichszeitraum von 52 Wochen zugrunde gelegt wird. Nach § 1 Abs. 3 TV Arbeitszeit wird die Jahresarbeitszeit durch Arbeitsleistung, Urlaub sowie durch Tage der Arbeitsunfähigkeit, einer Dienstbefreiung, eines eventuellen Sonderurlaubs oder durch andere bezahlte Ausfallzeiten erbracht. Gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. §§ 4, 9 ff. TV Arbeitszeit wird für die Beschäftigten ein (Jahres-)Arbeitszeitkonto geführt. In § 5 Abs. 1 TV Arbeitszeit ist bestimmt, dass bei Abwesenheitszeiten, die der Arbeit gleichstehen (z.B. Urlaub und Krankheit), die jeweilig...