Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers beim Annahmeverzug. Keine Verdienstanrechnung bei unterlassener Annahme einer unzumutbaren Arbeit. Wegfall des Annahmeverzugs wegen mangelnden Leistungswillens
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei den Voraussetzungen des Annahmeverzugs ist bei Leistungen, die nach dem Kalender bestimmt sind, eine Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers dahingehend erforderlich, dass er dem Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag einen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Denn dem Arbeitgeber als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung obliegt es, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen.
2. Den Arbeitnehmer trifft kein Vorwurf der Nichtannahme anderweitiger Arbeit, wenn diese ihm unzumutbar war. Diese Beurteilung der Zumutbarkeit hat nach den gesamten Umständen des konkreten Falls und unter Beachtung von Treu und Glauben und des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl zu erfolgen.
3. Der subjektive Leistungswille des Arbeitnehmers ist eine von dem Leistungsangebot unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraums vorliegen muss. Die Leistungsfähigkeit bzw. der Leistungswille sind auf die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu beziehen. Will der Arbeitnehmer seine Leistung nicht erbringen, entfällt der Annahmeverzug des Arbeitgebers.
Normenkette
BGB §§ 615, § 293 ff.; KSchG § 11 Nr. 2; BUrlG § 7; GG Art. 12 Abs. 1; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; KSchG § 2 S. 1; SGB III § 121
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 16.10.2019; Aktenzeichen 7 Ca 304/19) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.10.2019 - 7 Ca 304/19 - in seiner Nr. 4 und seiner Nr. 5 abgeändert und wie folgt gefasst:
"4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 63.000,00 brutto abzüglich € 17.421,71 netto nebst Zinsen aus € 45.578,29 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2019 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 2 %, die Beklagte 98 %."
II. Die Berufung der Klägerin im Übrigen und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 2 %, die Beklagte 98 %.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich im Wege der Berufung und der Anschlussberufung noch um Vergütung aus Annahmeverzug für die Zeit von Oktober 2017 bis März 2019, um die Auszahlung weiterer Plusstunden und um Urlaubsabgeltung.
Die Beklagte betreibt ein Cateringunternehmen für Schulen und Kindergärten. Teil des Unternehmens ist auch der Dorfgasthof Z in C-Stadt, der sich in der Nähe des Verwaltungssitzes der Beklagten befindet.
Die Klägerin hat ein 4-jähriges Hochschulstudium mit dem Abschluss "Ingenieurin für Lebensmittelmanagement (B. Sc.)" absolviert.
Die Klägerin stand vom 01.10.2016 bis zum 31.03.2019 in einem Arbeitsverhältnis als Marketing- und Projektmanagerin zur Beklagten; das monatliche Bruttoentgelt betrug € 3.500,00. Nach § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages hatte die Klägerin einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen.
Das Arbeitsverhältnis wurde im Jahr 2017 zweimal durch die Beklagte gekündigt, und zwar mit Schreiben vom 31.07.2017 zum 31.08.2017 sowie mit Schreiben vom 14.09.2017 zum 15.10.2017. Die hiergegen gerichteten Kündigungsschutzanträge sowie der Antrag auf Weiterbeschäftigung wurden mit Urteil des LAG München vom 28.11.2018 - 5 Sa 260/18 - rechtskräftig zu Gunsten der Klägerin entschieden; die Beklagte legte keine Nichtzulassungsbeschwerde ein.
Für die Zeit nach dem 31.08.2017 leistete die Beklagte keine Gehaltszahlungen mehr an die Klägerin.
Das Arbeitsgericht hat als unstreitig festgestellt, dass sich in der Güteverhandlung am 21.09.2017 hinsichtlich der Kündigungen aus dem Jahr 2017 die Klägerin auf den Vorrang einer Änderungskündigung berufen habe, nachdem die Beklagte vor Ausspruch der Kündigungen eine offene Stelle einer Servicekraft in Vollzeit inseriert hatte.
Mit Schreiben vom 29.09.2017 wurde der Klägerin angeboten, ab 01.10.2017 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites als Servicekraft im Gasthof Z beschäftigt zu werden (Anlage B 1, Bl. 85 d. A.). Die regelmäßige Arbeitszeit sollte bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (5-Tage-Woche) den betrieblichen Erfordernissen nach auf die Wochentage Montag bis Sonntag verteilt sein. Als Arbeitsentgelt wurden monatlich € 2.000,00 brutto angeboten. Im Begleitschreiben vom 29.09.2017 (Anlage B 2, Bl. 86 f. d. A.) wurde darauf hingewiesen, dass die geregelte Bruttomonatsvergütung nicht dem bisherigen Verdienst entspreche, allerdings mit einem arbeitstäglichen Trinkgeld von oft mehr als € 50,00 netto gerechnet werden könne.
Die Klägerin erschien nicht - wie aufgefordert - am 01.10.2017 im Gasthof Z. Sie ließ mit Schreiben vom 02.10.2017 (Anlage B 3, Bl. 88 f. d. A.) der Be...