Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Arbeitsverhältnisse bei Tendenzbetrieben. Befristete Arbeitsverhältnisse bei konventionellen Einrichtungen
Leitsatz (amtlich)
Für konfessionelle Einrichtungen im Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG kommt die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit ihrem Gemeindepastor als Tendenzträger nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG wegen der "Eigenart der Arbeitsleistung" in Betracht.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nicht nur Rundfunkanstalten und Bühnen, sondern auch andere Tendenzunternehmen/-betriebe, die sich auf die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 GG berufen können, also allgemein Presse und Film sowie Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre, haben vergleichbar erleichterte Möglichkeiten, befristete Arbeitsverhältnisse mit Tendenzträgern zu begründen. Die Begründung liegt in den verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsräumen der genannten Tendenzträger. Voraussetzungen sind allerdings ein tendenzbedingtes Erfordernis für die jeweilige Befristung und eine einzelfallbezogene Interessenabwägung.
2. Entsprechendes gilt für konfessionelle Einrichtungen, soweit sie den Schutz des Grundrechts nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG für sich in Anspruch nehmen können und Arbeitsverhältnisse mit Personen betroffen sind, die - wie z.B. Gemeindepastoren - unmittelbar im Bereich der religiösen Verkündigung eingesetzt werden.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4; GG Art. 4, 5 Abs. 1, 3, Art. 140; WRV Art. 137
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 29.07.2021; Aktenzeichen 17 Ca 12472/20) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.07.2021 - 17 Ca 12472/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung geendet hat.
Der Beklagte pflegt als eingetragener Verein im Großraum A-Stadt den kirchlichen Dienst für Koreaner und Koreanerinnen in Deutschland. Ziel des Vereins ist es, seine Mitglieder pastoral und seelsorgerlich, etwa mit der Durchführung des Gottesdienstes in koreanischer Sprache und von gemeindlicher Kinder- und Jugendarbeit, zu betreuen, sowie die evangelische Religion zu fördern (vgl. § 1 der Satzung, Bl. 72 ff der Akte). Organe des Vereins sind nach § 6 die Mitgliederversammlung als oberstem Organ (§ 7 Nr. 1 der Satzung) und der Gemeinderat als Vorstand des Vereins (§ 8 Nr. 1 der Satzung). Der Beklagte finanziert sich aus Spenden und Zuwendungen, Mitgliedsbeiträge werden nicht erhoben (§ 3 Nr. 4 der Satzung). Er ist Mitglied in einer Arbeitsgemeinschaft evangelischer Auslandsgemeinden, die mit dem evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk A-Stadt (einer Körperschaft des öffentlichen Rechts) in der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern zusammenarbeiten. Der Dekanatsbezirk A-Stadt vertritt hierbei die evangelischen Auslandsgemeinden in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in A-Stadt mit dem Status der Gastmitgliedschaft (vgl. Anlage B12, Bl. 155 d. A.).
Mit "Anstellungsvertrag" vom 11.11./04.12.2012 wurde der Kläger ab dem 01.02.2013 vom Beklagten zunächst befristet für die Dauer von zwei Jahren als "Gemeindepastor" angestellt. Mit Vertrag vom 25.12.2014 wurde das Arbeitsverhältnis bis 31.12.2017 und mit Vereinbarung vom 25.12.2017 um weitere 3 Jahre bis 31.12.2020 verlängert (Bl. 5 ff der Akte). Vereinbart war zuletzt eine jährliche Bruttojahresvergütung in Höhe von € 60.800,00.
Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen umfasste das Aufgabengebiet des Klägers die geistliche und seelsorgerische Betreuung der Gemeindemitglieder im Großraum A-Stadt nach näherer Regelung in der Dienstordnung. Nach Ziff. IV des Arbeitsvertrages vertrat der Kläger als Gemeindepastor die Gemeinde nach außen zusammen mit dem Vorstand; nach innen vertrat der Kläger den Vorstand sowie das Arbeitsgremium der Gemeindehelfer. Weiter war geregelt, dass er darüber hinaus gemäß der Satzung und der Gemeindeordnung die Ämter des "Vorsitzenden der Mitgliederversammlung", des "Vorsitzenden des Vorstands" (i.a.W. Gemeinderat) und des "Vorsitzenden des Arbeitsgremiums der Gemeindehelfer" innehatte.
Dementsprechend ist der Gemeindepastor in § 9 der Satzung des Beklagten abgebildet. Nach dessen Nr. 5 ist der gewählte Gemeindepastor automatisch Mitglied des Gemeinderates (gleichbedeutend mit Vorstand des Vereins) und übt das Amt des Vorsitzenden aus (§ 8 Nr. 3 der Satzung). Die Mitgliederversammlung als oberstes Organ des Vereins wird in der Regel vom Gemeinderatsvorsitzenden (dem Gemeindepastor) geleitet (§ 7 Nr. 1 der Satzung).
Zu Vertragsdauer und Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthielt der Arbeitsvertrag vom 25.12.2017 unter anderem die folgenden Regelungen:
"II. Vertragsdauer
Der vorliegende Anstellungsvertrag ist gemäß der Gemeindeordnung zunächst für weitere drei Jahre gültig (Stichtag: ab 01.01.2018). Der Vertrag kann gemä...